Gang, sondern auch auf schwere Bewaffnung schließen ließen. Der Geländewagen schoss davon, ohne dass auch nur einer der Männer eine Miene verzog.
Im Kaisaniemi-Park brannte es. Die Flammen schlugen so hoch, dass es sich um ein Auto oder etwas Ähnliches handeln musste. Ansonsten wirkte die massive Feuersäule im dunklen Park wie das Symbol eines heidnischen Festes. An der Ecke Vilhonkatu und Mikonkatu hörte ich Schüsse und sah drei Männer in Richtung Park rennen. Sie verschwanden, noch ehe die Schüsse verhallt waren. Vor dem Tierkundemuseum traten mehrere Männer auf ein am Boden liegendes Opfer ein, dann zerrte einer von ihnen, wahrscheinlich der Stärkste, das Opfer an seiner schmutzigen Kleidung in Richtung der Unterführung, vielleicht, um es in den Tunnel zu werfen.
Wir waren innerhalb von zwanzig Minuten am Ziel, dem Temppeliaukio, dem Tempelplatz. Ich schob einen Geldschein durch den schmalen Schlitz in der Plexiglasscheibe und stieg aus.
Die Kuppel der Felsenkirche war eingestürzt, so dass das Gebäude aussah wie ein Stück antike Mauer. Die Ruine warf lange Schatten auf den Felsen und die Lutherinkatu. Umrahmt vom gelblichen Schein der Straßenlampen wirkten die Schatten pechschwarz, wie auf die Erde gemalt. Irgendjemand hatte ein Parkverbotsschild aus der Verankerung gerissen und mitten auf die Straße geworfen. Das Schild wirkte, als würde es endgültig auf jedes Verbot verzichten.
Die Nacht war hier in Töölö ebenso kalt wie bei uns in Herttoniemi, allerdings nicht so still. Vereinzelt waren, neben Motorgeräuschen, Autohupen und Suomi-Rock, auch Rufe von Menschen zu hören, sogar Feiern schienen im Gange zu sein. Das heitere Lachen einer Frau, das über allem schwebte, klang sorglos und zugleich fremder als alles andere, was ich in letzter Zeit gehört hatte.
Ahti und Elina Kallio waren Freunde von Johanna und mir, hauptsächlich verband uns die Freundschaft der beiden Frauen. Und nein, auch Elina hatte nichts von Johanna gehört.
Ich stand im Flur der Kallios, zog meine regennasse Jacke und die Schuhe aus und hörte mir die Fragen an, die die beiden abwechselnd stellten.
»Wo kann Johanna sein?«
»Hat sie tatsächlich kein einziges Mal angerufen?«
»Und niemand weiß, wo sie ist?«
Schließlich stellte Ahti eine Frage, die ich beantworten konnte.
»Ja, gerne, ich nehme einen Kaffee.«
Ahti verschwand in der Küche, Elina und ich gingen ins Wohnzimmer, wo zwei matt leuchtende Stehlampen und eine flackernde Kerze ein weicheres Licht schufen, als ich ertragen konnte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass jetzt eine andere Stimmung erforderlich war, außerdem mehr und entschieden helleres Licht.
Ich setzte mich aufs Sofa, Elina wählte den Sessel mir gegenüber. Sie zog einen hellbraun gestreiften Wollschal auf ihren Schoß, breitete ihn nicht ganz aus, ließ ihn aber auch nicht völlig zusammengefaltet. Der Schal lag dort wie ein lebendiges, wartendes Wesen. Ich erzählte Elina in groben Zügen, was ich wusste: Johanna hatte sich seit vierundzwanzig Stunden nicht gemeldet, und den Fotografen hatte man nicht erreichen können, außerdem erwähnte ich, worüber Johanna schrieb.
»Sie hätte angerufen«, sagte Elina, als ich fertig war. Sie sprach so leise, dass ich ihre Worte erst rekapitulieren musste.
Ich nickte und sah zu Ahti auf, der jetzt hereinkam. Ahti war ein kleiner, drahtiger Mann, Jurist von Beruf, korrekt bis ins Komische, aber auch ebenso überraschend in manchen Dingen. Mir kam eine Idee, und fast gleichzeitig entdeckte ich in seinem forschenden Blick eine Spur Unsicherheit, die ebenso schnell verschwand, wie sie aufgetaucht war.
Ahtis Augen streiften mich nur flüchtig und verharrten dann wesentlich länger bei Elina. Die beiden schauten einander eine Weile an und wandten sich dann fast gleichzeitig mir zu. In Elinas braunen Augen schimmerten Tränen. Ich hatte Elina noch nie weinen gesehen. Aus irgendeinem Grund überraschte es mich jedoch nicht. Vielleicht hatte mir die übertrieben heimelige Atmosphäre im Raum verraten, dass Unvorhergesehenes zu erwarten war.
»Wir hätten es schon früher erzählen müssen«, sagte Ahti. Er stand jetzt mit den Händen in den Taschen hinter Elinas Sessel. Auf ihren Wangen glänzten Tränen.
»Was?«, fragte ich.
Elina wischte sich rasch die Augen, so als wollte sie etwas beseitigen. »Wir ziehen weg«, sagte sie. »In den Norden.«
»Wir besitzen einen einjährigen Mietvertrag für eine Wohnung in einer Kleinstadt«, sagte Ahti.
»Ein Jahr?«, fragte ich. »Und was dann, wenn das Jahr vorbei ist?«
Elinas Augen füllten sich erneut mit Tränen. Ahti streichelte ihr Haar, sie ergriff seine Hand. Beide wanderten mit ihren Blicken durch den Raum, ohne irgendwo anzuhalten. Ein misstrauischerer Mensch hätte den Eindruck gewinnen können, dass sie vor etwas auswichen. Aber wovor denn?
»Das wissen wir nicht«, sagte Ahti. »Aber schlechter als das Leben hier kann es nicht werden. Ich habe vor einem halben Jahr endgültig meine Arbeit verloren, und Elina hat seit zwei Jahren keine Lehraufträge mehr gehabt.«
»Ihr habt nie etwas gesagt«, konstatierte ich leise.
»Nein,