völlig verstopft von Menschen und Gepäckstücken. Der Zug war endlos lang, Väntinens Platz befand sich im Wagen achtzehn. Ich lief an der äußersten Kante des Bahnsteigs entlang, um zu vermeiden, dass ich Leute anrempelte. Jaatinen folgte mir. Wir sahen vermutlich wie zwei äußerst ungeschickte Trapezkünstler aus, wie wir da versuchten, so schnell wie möglich auf dem schmalen Randstreifen vorwärtszukommen.
Ich zählte die Wagen durch. Die Menschenmassen verdeckten die Schilder und Beschriftungen, und das Zählen war ebenso schwierig wie das Balancieren auf dem Trapez. Als ich bei meinen Berechnungen die Sechzehn erreichte, drängte ich mich durch die Menschenmauer zum Waggon. Ein großer, schwarzbärtiger, stinkender Mann schob mich beiseite, als sich versuchte, die Nummer zu lesen. Ich wich ihm aus und wartete ein paar Sekunden, bis der Riese mit seinem penetranten Geruch weg war.
Schließlich sah ich die Nummer, es war der Wagen fünfzehn.
Ich ging weiter, mit der linken Schulter fast den Zug streifend, und hörte die letzten Lautsprecherdurchsagen, auf Finnisch, Englisch, Russisch und in irgendeiner vierten Sprache. Auf dem Innenrand des Bahnsteigs kam ich kaum voran, ich musste die Leute vor mir wegdrängen. Zur Antwort wurde ich angeschrien und geschubst. Eine ältere Frau mit Kopftuch und pechschwarzen Augen stach mir mit der Metallspitze ihres langen Regenschirms schmerzhaft in den Oberschenkel.
Wagen achtzehn befand sich jetzt vor mir, ich versuchte ihn in seiner ganzen Länge zu überblicken. Jaatinen stellte sich hinter mich. Plötzlich brüllte er etwas, dann stürmte er vor, für einen großen, muskulösen Mann bewegte er sich sehr schnell.
Ich sah Tarkiainens Gesicht zuerst von der Seite. Vielleicht nahm er den heranstürmenden Jaatinen instinktiv wahr und drehte sich um, seine Miene veränderte sich dabei keinen Deut. Im Bruchteil einer Sekunde entschied er sich und rannte davon. Ich lief hinter den beiden her.
Jaatinen befand sich zehn Meter hinter Tarkiainen, als er über einen Koffer stolperte, der auf dem Bahnsteig stand. Er schrie auf, sein linkes Knie bog sich merkwürdig nach innen, im selben Moment fiel er vornüber zu Boden und konnte sich gerade noch mit der linken Hand abstützen. Ich hörte, wie das Gelenk brach.
Ich lief zu Jaatinen, er rollte sich über sein beschädigtes Knie hinweg auf den Rücken, auf seinem Gesicht lag sofort die steife Maske des Schmerzes. Die gebrochene Hand legte er auf die Brust. Mit der gesunden zog er die Waffe aus dem Gürtel und steckte sie mir zu. Ohne etwas zu sagen oder irgendwie darüber nachzudenken, ergriff ich sie und rannte weiter.
Tarkiainen sprang auf die Schienen. Ich folgte ihm, ließ mich vom Bahnsteig fallen und spürte, wie meine Muskeln sich schon verhärtet hatten durch die plötzliche Anstrengung. Ich landete nicht elastisch, sondern plumpste schwankend auf den Boden. Ich hielt mich jedoch aufrecht, hörte eine metallische Stimme, die die abfahrenden und ankommenden Züge ansagte, und spürte sanften Regen auf meiner Haut. Die gläsernen, schwarzen Wände der Bürohäuser links von uns glänzten in der Ferne.
Tarkiainen hatte einen Vorsprung, und ich keuchte ihm hinterher. Er näherte sich dem Stadtteil Linnunlaulu. Die Waffe lag schwer in meiner Hand, mit jedem Schritt wurde sie schwerer. Ich fand meinen Laufrhythmus und passte meine Schritte den Bahnschwellen an. Tarkiainens Rücken wurde immer größer vor meinen Augen. Der Regen, die dunkle Nacht und die fahle Beleuchtung machten den Anblick unscharf, verschwommen. Strommasten überragten mit ihren Querbalken unsere Köpfe wie unfertige Dachkonstruktionen.
Die kalte, feuchte Luft zerriss mir beim Einatmen Hals und Brust. Als wir uns der Brücke von Linnunlaulu näherten, der Gleisbereich schmaler wurde und durch eine Felseinbuchtung führte, wurden meine Füße plötzlich schwer. Rechts ratterte ein Nahverkehrszug an uns vorbei, das Gleis auf der linken Seite glänzte einsam und leer.
Mein Abstand zu Tarkiainen betrug nur noch etwa fünfzehn Meter. Aber meine Füße waren wie Blei, und ich wurde immer langsamer. Ich spürte das Gewicht der Pistole in meiner rechten Hand und fasste einen Entschluss. Ich entsicherte, so wie Ahti es mir gezeigt hatte, reckte den Arm zum Himmel und drückte ab.
Tarkiainen erschrak, verlor das Gleichgewicht und stolperte über seine eigenen Füße. Er blickte sich um. Ich war außerstande, etwas zu sagen, zielte nur mit der Waffe auf ihn. Er blieb endgültig stehen, während ich nach Luft schnappte und mich darauf konzentrierte, die Waffe ausgestreckt vor mir zu halten und aufrecht zu stehen.
Ich war so fertig, ich wollte mich nach vorn beugen, die Arme auf die Knie stützen oder mich ausstrecken, vielleicht auf den Rücken legen. Tarkiainen war aus irgendeinem Grund nicht so außer Atem.
»Du musst Johannas Mann sein«, sagte er und wirkte kein bisschen überrascht.
Ich nickte, versuchte ruhig zu atmen und hielt weiter die Waffe ausgestreckt, obwohl sie unendlich schwer