Frust abladen, warum also nicht bei mir. Gleichzeitig hoffte ich ganz egoistisch, dass sie sich bald um mein Anliegen kümmern würde.
Sie holte Luft und kehrte zu Tarkiainen zurück, dem charismatischen Studenten, der vor fünfzehn Jahren ein wenig wie der junge Ministerpräsident Alexander Stubb ausgesehen hatte. Sie erzählte, dass sie sich der von Tarkiainen gegründeten Aktivistengruppe junger Akademiker angeschlossen hatte. Ursprüngliches Ziel war es gewesen, eine neue, politisch unabhängige Volksbewegung zu schaffen, aber Tarkiainen hatte sich schnell verändert. Er hatte Radikale kennengelernt, die auf direkte Aktionen setzten. Laura konnte sich vorstellen, dass er auch selbst bei einigen Anschlägen dabei gewesen war. Auf jeden Fall hatte er sich der extremen, militanten Klimabewegung angeschlossen, deren Motto war: Wenn du auch nur im Geringsten für Konsum und Umweltverschmutzung bist, dann bist du hundertprozentig gegen uns. Er war also rasch aus der Aktivistengruppe verschwunden, der Laura zu diesem Zeitpunkt noch angehörte.
Was dann endgültig für eine Gänsehaut bei mir sorgte, war ihr Hinweis auf Tarkiainens Freundin, eine junge, kleine und reizende Frau mit blaugrünen Augen, deren Name ihr jetzt allerdings nicht einfiel.
»Johanna«, sagte ich leise.
Ein rasches Blitzen in Lauras Augen zeigte, dass sie sich erinnerte. »Ja, so hieß sie«, sagte sie. »Woher kennst du …?«
»Johanna ist meine Frau.«
Es wurde still im Raum. So still, dass ich mir einbildete, den Hall und Bruchstücke eines Gesprächs zu hören, das auf einer anderen Etage an einer ganz anderen Stelle des Hauses geführt wurde. Die Laura von früher hätte sich bei so langem Schweigen nicht wohl gefühlt. Aber die jetzige Laura saß ruhig auf ihrem Platz, wieder in ihre Gedanken versunken.
»Woran erinnerst du dich bei Johanna?«, fragte ich schließlich.
Laura zuckte mit den Schultern. »Sie war eine Zeitlang mit dabei. Ich weiß noch, dass ich den Eindruck hatte, sie würde gegen ihren Willen mitmachen. Vielleicht hatte sie auch als Erste bemerkt, dass Tarkiainen sich veränderte.«
»Warum hätte sie dann weiter mitmachen sollen?«
Jetzt sah Laura mir in die Augen, hob die Brauen und schnaubte amüsiert. »Vielleicht hat sie gehofft, dass sie ihn noch ändern, auf den rechten Weg bringen und seine Gedanken beeinflussen könnte. Die Menschen hoffen alles Mögliche, auch die klugen.«
Dazu gab es nichts weiter zu sagen. Und obwohl ich es als widersprüchlich und unangenehm empfand, meine ehemalige Freundin nach meiner jetzigen Frau auszufragen, fuhr ich fort: »Was für eine Art von Beziehung hatten die beiden damals?«
»Das ist fünfzehn Jahre her«, Laura schüttelte den Kopf. »Und ich hätte es auch damals nicht sagen können. Aber ich glaube, es war eine Beziehung, die mit gemeinsamen Interessen begonnen hatte, aus denen ein Partner dann ohne Rücksicht auf den anderen seine eigenen Bestrebungen macht. So etwas kommt vor. Ich glaube, dass deine Frau, also Johanna, schließlich bemerkt hat, dass Tarkiainen in seine eigenen Sphären aufgestiegen war. Daraufhin hat sie sich vermutlich so weit wie möglich von ihm entfernt. So hätte ich es jedenfalls gemacht. Ungeachtet der Tatsache, dass das ein Risiko birgt.«
»Was meinst du?«
»Männer verstehen so etwas nicht immer«, sagte Laura. »Männer, die bereit sind, Gewalt auszuüben, fackeln nicht lange. Du weißt sicher, was ich meine.«
Ich nickte.
»Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich die Vermutung, dass Johanna auf den passenden Moment gewartet hat, Tarkiainen zu verlassen. Und …«
Ich blieb stumm.
Laura schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein«, sagte sie.
»Sag es ruhig, Laura. Alles, jede Kleinigkeit, ist wichtig.«
Sie schüttelte immer noch den Kopf. »Es mag sich verrückt anhören«, sagte sie, ohne auch nur ein bisschen verrückt zu klingen. »Aber irgendwie vermittelte Johanna den Eindruck, als wüsste sie etwas von Tarkiainen. Und obwohl sie einen Grund gehabt hat, konnte sie in diesem Moment nicht darüber sprechen. Aber das ist pure Einbildung, ich kann mich an nichts Konkretes erinnern.«
»Danke, Laura.«
»Ich weiß nicht, ob ich dir damit helfen kann«, sagte sie.
»Sehr«, sagte ich so freundlich und herzlich, wie ich konnte. Es fiel mir leicht, weil ich es auch so meinte. »Du hast mir wirklich geholfen. Es war gut, dass wir uns getroffen haben.«
Ich erhob mich vom Sofa, auch Laura stand auf. Ich spürte eine kurze Verwirrung, kam mir vor, als lebte ich in zwei Zeiten, vor zwanzig Jahren und heute, doch zum Glück ging dieses Gefühl rasch vorbei. Ich trat zu Laura, griff nach ihrer Hand, die sich überraschend vertraut anfühlte, und hielt sie einen Augenblick fest. Dann ließ ich die Hand los und umarmte Laura.
Zwanzig Jahre – und meine Arme reichten auch heute nicht weiter als früher.
8 Hamids Taxi stand mit laufendem Motor gleich um die Ecke in der Fabianinkatu, nur hundert Meter entfernt – so wie ich ihn gebeten hatte. Ich ging schneller,