saß, möglichst aufrichtig zu wirken und so auszusehen, als ob von mir viel Hilfe zu erwarten war. Der Pfropf im Ohr trug vielleicht nicht gerade dazu bei.
»Wir haben nur von einem Teil der Fälle DNA-Ergebnisse, weil auch das Labor überlastet ist und weil manche Geräte nicht mehr funktionieren. Auf jeden Fall sind die DNA-Untersuchungen des letzten Falles, also der Sache in Eira, inzwischen fertig, und was ich dir nun als Nächstes erzähle, ist streng vertraulich. Ich erzähle es dir aus mehreren Gründen, und der wichtigste ist der, dass Johanna uns, und vor allem mir, bei der Aufklärung der Entführungsfälle vor drei Jahren eine große Hilfe war.«
Jaatinen kostete von seinem Kaffee, blickte in die Tasse und wirkte zufrieden. Ich war erstaunt und probierte meinen auch noch einmal. Der Kaffee war nahezu ungenießbar.
»Wir haben einen Verdächtigen, denselben wie beim ersten Fall, also bei den Morden in Tapiola. Wir konnten damals DNA-Material sicherstellen und sogar das Labor dazu bringen, es zu untersuchen, was immer seltener gelingt.«
Jaatinen trank wieder Kaffee. Er genoss ihn so sehr, dass er absichtlich zögerte, ihn hinunterzuschlucken.
»Wir haben also die Proben mit der DNA-Bank der Bevölkerung verglichen und einen Namen gefunden. Es gibt aber ein Problem.«
Jaatinens blaugraue Augen glänzten in dem schlecht beleuchteten Zimmer. Er schien auf einmal näher bei mir zu sitzen, als mir ursprünglich klar war. Oder der Raum ringsum war geschrumpft, und die Wände schoben uns zusammen.
»Der Mann starb bei der großen Grippewelle vor fünf Jahren.«
»Okay«, sagte ich nach kurzem gemeinsamen Schweigen und versuchte, mich in dem enger gewordenen Raum wohl zu fühlen.
Jaatinen stellte die Kaffeetasse ab, stützte die schweren Ellenbogen auf den Tisch und schob sie vorwärts. Wäre der Tisch ein lebendes Tier gewesen, hätte er vor Schmerz geschrien.
»Er war ein fast fertig ausgebildeter Arzt namens Pasi Tarkiainen. Starb zu Hause.«
»Und was bedeutet das?«
Jaatinens Miene blieb die gleiche, und auch seine Tonlage änderte sich nicht. Er war es offensichtlich gewöhnt, Leuten, die langsamer waren als er, Dinge zu erklären.
»Das bedeutet, dass wir einen toten Medizinstudenten haben, der dort Spuren hinterlässt, wo wir tote Menschen finden. Und der sich vielleicht Heiler nennt.«
»Dafür gibt es sicher irgendeine Erklärung.«
Jaatinen schien derselben Meinung zu sein. Sein gespitzter Mund und das vorgeschobene Kinn sagten: richtig, eben darum geht es.
»Natürlich gibt es die. Aber wir haben nicht genügend Leute, die das aufklären könnten. Gestern haben drei Ermittler, die alle auch an diesem Fall arbeiteten, offiziell gekündigt. In der vergangenen Woche sind zwei meiner Mitarbeiter dem Dienst ferngeblieben. Und wie es aussieht, sind sie für immer weg, denn sie haben ihre Waffe mitgenommen, den Dienstausweis aber dagelassen. Ich will gar nicht wissen, wie es in anderen Berufen aussieht, unsere Leute hier arbeiteten immerhin in ihrem Traumjob.«
Jaatinen trommelte einige Male mit den Fingerspitzen auf den Tisch und sah noch finsterer aus.
»Wir sind ständig nur damit beschäftigt, neue Fälle aufzunehmen. Wir schaffen es gar nicht mehr zu ermitteln, weil sofort weitere und schlimmere Fälle reinkommen. Wir rotieren permanent und laufen doch nur auf der Stelle. Kein Wunder, dass die Leute aufgeben. Vielleicht sollte ich auch abhauen, solange ich noch kann. Aber wohin? Da habe ich eigentlich keine Idee.«
»Wusste Johanna von diesem Tarkiainen?«, fragte ich.
Jaatinen lehnte sich zurück und schien erneut eine Einschätzung vorzunehmen, nicht nur von mir, sondern auch von der ganzen Situation.
»Vermutlich nicht. Es sei denn durch ihre eigenen Recherchen. Wir sind längst nicht mehr die leckdichte Einrichtung, die wir einmal waren. Ich rede ja jetzt auch mit dir. Aber wusste sie es? Ich glaube nicht.«
Ich setzte mich auf dem Stuhl zurecht und versuchte, das linke Bein über das rechte zu schlagen, aber der Schmerz im Rücken ließ mich abrupt stoppen. Es war, als ob mir jemand einen Schraubenzieher in den Nerv stieß. Ich stöhnte und setzte das linke Bein wieder auf.
»Weißt du, wer sie waren?«, fragte Jaatinen.
»Die Schläger?«
Er nickte. Dieses Mal irgendwie sanft.
Ich zuckte mit den Schultern. Meiner Meinung nach war das überhaupt nicht wichtig. »Ich tippe auf Berufssadisten von irgendeinem Sicherheitsdienst. Die Häuser da draußen am Ufer sind weiterhin bewohnt, und die Leute können es sich leisten, dafür zu zahlen, dass jemand die Gegend sauber hält.«
»Eine stetig wachsende Branche«, sagte Jaatinen. »Viele unserer Leute sind rübergewechselt. Sie wollen ordentlich verdienen, um in den Norden zu ziehen. Alle können da allerdings auch nicht unterkommen. Und das Leben ist in dem Job nicht leichter als hier bei uns.«
Ich musste das Gespräch unbedingt wieder in die alten Bahnen lenken. Meine Aufgabe war, nach Johanna zu suchen, und nicht, die katastrophalen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu erörtern.
»Angenommen, du solltest im Fall des Heilers und Tarkiainens ermitteln«,