fuhr fort: »Was geschehen ist, hat keinen Einfluss darauf, ob wir Freunde sind oder nicht. Johanna ist meine beste Freundin. Wir wussten nicht, dass alles so schiefgehen würde.«
»Wenn man für Kriminelle arbeitet«, sagte ich, »gehen die Dinge immer schief.«
»Nicht dermaßen schief«, sagte Ahti.
Ich sah ihn an. Er erwiderte den Blick mit gleicher Intensität.
»Zum letzten Mal«, sagte ich. »Was ist passiert?«
Ahti und Elina vollführten wieder ihr Nickritual.
»Johanna hat mich angerufen«, sagte Ahti dann. »Sie erzählte mir von diesen Familienmorden, wann und wo sie passiert waren. Dann sprach sie von ihrer Theorie, die mir zunächst ziemlich unglaubwürdig erschien. Aber ich habe die Verträge von A-Secure zu Hunderten betreut und erinnere mich ziemlich genau, mit welchen Unternehmen oder Hausverwaltungen und Mietergemeinschaften A-Secure zusammenarbeitet. Ich brauchte mir nicht viele Verträge anzusehen, um festzustellen, dass es sich um eben genau diese Wohngegenden oder sogar Hausverwaltungen handelte. Dann checkte ich, wie lange es von der ersten Kontaktaufnahme bis zum endgültigen Vertragsabschluss dauerte.« Er schüttelte den Kopf und rieb sich heftig die Stirn. »Das Ganze lief strikt nach Stadtteilen ab: Erst wurde großflächig Kontakt zu den Anwohnern aufgenommen, dann wurde eine Familie ermordet, und unmittelbar danach wurden haufenweise Verträge über Objektbewachung, Security-Personal, Alarmsysteme und alle möglichen Sicherheitsdienstleistungen abgeschlossen. Da wurde ein Haufen Geld gemacht, und zwar in kurzer Zeit. Johanna hat das herausgefunden.« Ahti blickte auf. »Ich wusste einfach nicht, was ich machen, was ich sagen und mit wem ich reden sollte.«
»Schon mal was von der Polizei gehört?«, fragte ich.
Er schüttelte wieder den Kopf. »Wie hätte die uns schützen sollen? Und wie lange hätte es gedauert, all das zu untersuchen und A-Secure zu belasten? Außerdem kann ich es ja nicht mal beweisen. Ich kenne den zeitlichen Ablauf der Ereignisse und kann nur vermuten, was dahintersteckt.«
»Wem hast du davon erzählt?«, fragte ich.
»Elina.«
»Niemandem von A-Secure?«
Ahti seufzte. »Das kommt ja noch hinzu.«
»Was?«, fragte ich.
»Gerade die Verträge, die unmittelbar nach den Morden abgeschlossen wurden, sind alle von ein und derselben Person unterzeichnet. Als ich gesehen habe, dass es sich bei dieser Person um den Geschäftsführer persönlich handelt, wollte ich nur noch nach Norwegen. Ich habe den ein einziges Mal ganz kurz gesehen. A-Secure besteht in Wirklichkeit nur aus zwei Männern und dem äußerst schlechten Ruf. Das komplette Personal wird von außen eingekauft.«
Mir kam ein Gedanke von weit her. Er war es dennoch wert: »Wann wurde A-Secure gegründet?«
»Vor etwa viereinhalb Jahren«, sagte Ahti.
»Und von wem?«
»Von Harry Rosendahl und Max Väntinen.«
Ich nahm mein Handy, suchte nach dem Foto und zeigte es Ahti. Er kniff die Augen zusammen, stand dann auf, nahm mir das Handy ab und sagte, nachdem er das Foto eine Weile betrachtet hatte: »Er ist hier noch viel jünger, aber es ist Harry Rosendahl.« Er gab mir das Handy zurück.
Pasi Tarkiainens Lächeln war immer noch ansteckend und schien ständig auf Erwiderung zu warten.
14 Die Dämmerung des Juliabends legt sich in unsere Wohnung. Die Umrisse der Möbel und ihre Schatten gehen nahtlos ineinander über, das weiche Sofa scheint bodenlos. Ich höre Johannas Schritte auf dem Holzfußboden in der Küche, höre, wie sie frischen Ingwer in ihren Tee schneidet, anschließend umrührt, irgendetwas hinzufügt, Honig vielleicht, wieder umrührt. Ich höre das Klirren des Löffels an der Tassenwand. Und beinahe höre ich, wie sie die Teetasse vom Tisch nimmt, obwohl das gar kein Geräusch verursachen kann.
Dann ist Johanna im Zimmer, sie setzt sich neben mich, ich rieche ihr Haar und den grünen Tee mit Ingwer und getrockneter Orangenschale.
»Möchtest du auch eine Tasse haben?«, fragt sie, und ihre Stimme ist sanft wie der Abend.
»Nein danke«, sage ich.
Johanna kostet von ihrem Tee, schlürft ihn vorsichtig vom Löffel. Dampf steigt vor ihrem Gesicht auf. »Wir werden zu zweit bleiben«, sagt sie nach einer Weile.
Ich lege den Arm um sie.
»Keine Kinder«, sagt sie. »Keine Eltern.«
Ich sehe in ihre Augen und entdecke darin keine Spur von Trauer, höchstens Mut und Tapferkeit. Sie schlürft den Tee mit spitzen Lippen vom Löffel.
»Hast du die Nachrichten gesehen?«, fragt sie dann.
»Ja, hab ich.«
»Wir sind an diesem Ort gewesen, es war unsere erste gemeinsame Reise.«
»Jetzt existiert er nicht mehr«, sage ich.
»Es gibt viele Dinge, die nicht mehr existieren.«
»Gerade das habe ich gemeint«, sage ich. »Dass nämlich schon so vieles nicht mehr existiert.«
»Es ist, als würde man überlegen, wie lang ein Meter ist.«
»Nicht ganz.«
»Doch.« Johanna lächelt und blickt angestrengt in ihre Tasse, so als wäre ihr etwas hineingefallen. »Ein Meter ist ein Meter. Dagegen kannst weder du noch irgendein anderer etwas machen.«
Ich lache. »Alles klar«, sage ich. »Ein Meter ist ein Meter. Die Welt geht unter. Da kann man nichts machen.«
Sie wirft mir einen Blick zu