noch.«
»Ja, Mama«, presste ich hervor, »und ich bin dir auch sehr dankbar dafür.«
Sie stieß einen kleinen Schrei aus. »Dankbar? Und wie kann es sein, dass du dein eigen Fleisch und Blut grün und blau schlägst?«
»Ich …«
Unbeirrt fuhr sie fort: »Ich will, dass meine beiden Mädchen zusammenhalten!«
Ich wollte schon sagen, dass wir das ja taten, aber das wäre doch zu unsinnig gewesen.
»Du kannst dich bei deiner Mama bedanken, dass ich Tissi davon abhalten konnte, Anzeige zu erstatten.«
Ich verkniff mir das übliche »Danke, Mama« und platzte heraus: »Das musstest du ja auch. Wenn ich im Gefängnis bin, hast du ja niemanden mehr, der dich am Sonntag herumchauffiert.«
Kurz war es still am anderen Ende der Leitung. Mir kam der Gedanke, dass meiner Mutter soeben zum ersten Mal bewusst geworden ist, dass sie in gewisser Weise abhängig war von mir.
Das würde auch erklären, warum sie das Gespräch in recht freundlichem Ton beendete. »Dann also bis Sonntag, Thaddäa.«
»Ja«, sagte ich und klappte das Handy zu.
Wir würden uns am Sonntag sehen. Und bis dahin würde ich es endlich schaffen, mich von ihr zu lösen, sonst würde ich uns beide an den erstbesten Baum fahren müssen.
18
»Und noch mal das ganze Spiel, liebste Teddy – links das Pedal koooommen lassen, rechts ruuuunter drücken, kommen – runter, kommen – runter, jaaaaa, jaaaa, sehr gut … und gleich noch mal, links koooommen, rechts ruuuunter, jaaaa, bravo! Bravissimo, Teddy!«
Ich war ein Genie. Gott, war ich ein Genie! Ich hatte es endlich raus, war zweimal hintereinander angefahren, ohne dass der Motor abgesoffen war.
Und das, obwohl der Zahnarzt auf dem Beifahrersitz mich nervöser machte als je zuvor. Diesmal hatte er mich gleich mit einem Küsschen links und rechts auf die Wangen begrüßt. Ich kam mir dermaßen begehrt vor, dass ich kaum wusste, wohin mit mir.
»Und, Teddy?« Strohmann lehnte sich zu mir. »Was meinen Sie? Sollen wir ihn heute wagen? Den Verkehr?«
Schon klar, er sprach vom Autofahren, trotzdem prustete ich los wie eine Zwölfjährige. Zwischen einzelnen Kichersalven stotterte ich hervor: »Tschuldigung, dass ich hihihi … hihihi, aber ich bin so glücklich, weil das Anfahren klappt, hahaha …«
Ich lachte so sehr, dass mir der Bauch weh tat, der Zahnarzt sah verdutzt drein, weswegen ich gleich noch viel lauter lachen musste. Schließlich warf ich mich auf das Lenkrad und spürte, dass mir der Speichel aus dem Mund floss. Da hörte ich auf zu lachen. »Tschuldigung«, wiederholte ich.
»Sie sind eine wunderbare Frau der Extreme«, sagte Strohmann.
Verkehr traute ich mich trotzdem nicht. Ich übte auf dem Parkplatz noch vierundvierzig Mal das Anfahren, dann tauschte ich mit Strohmann den Platz und ließ mich nach Hause chauffieren.
»Wissen Sie was?«, begann ich, als wir die Nussdorfer Straße entlangfuhren. »Lassen Sie mich heute bitte früher raus. Sie wissen schon, meine Mutter …«
Der Zahnarzt nickte schelmisch. »O ja, ich verstehe sehr gut.«
Er parkte das Auto in einer Nebengasse und stellte den Motor ab. Ich wollte mich abschnallen, doch er legte die Hand auf den Gurt, oder besser gesagt, auf meine Brust, oder noch besser gesagt, auf meinen dreifach ausgestopften Miss-Bombastic-Wonder-Bra.
»Oh, liebe Teddy«, gurrte er und ich spürte mein Herz unter dem Bombastic Bra rasen. »Gehen Sie nicht so einfach. Unterhalten wir uns noch ein bisschen. Erzählen Sie mir doch was von sich.«
Sofort war ich wieder alarmiert. »Von was denn?«, fragte ich. »Von Hans?«
Mit der freien Hand strich er über meine Wange. »Aber liebste Teddy, was könnte mich denn der alte, tote Mann interessieren, wo doch hier neben mir das blühende Leben in all seiner Pracht und Herrlichkeit, mit all der Süße der Jugend und all der Kraft der weiblichen Sehnsucht sitzt? Ach, Teddy …«
Ach, Mr. Rochester …
O Gott, Mr. Rochester, was wurde das jetzt? OGottoGott, oGottoGott, bitte nicht, bitte nicht – ich bin doch schon vergeben …
»Aber Teddy, wieso schauen Sie denn so schockiert drein? Bitte fürchten Sie sich doch nicht.«
»O Gott …« Ich schnallte mich ab und rüttelte am Türgriff.
Endlich schaffte ich es, die Tür zu öffnen. »Sehen wir uns morgen Abend?«, stieß ich hervor. Immerhin hatte der Mann ja trotz alledem mein Auto, also musste ich ihn wiedersehen.
»Natürlich«, säuselte der Zahnarzt, als wäre nichts gewesen.
Aber es war was gewesen, dachte ich fünf Minuten später, als ich meine Wohnungstür aufschloss. Mama hatte sich diesmal gar nicht blicken lassen, doch ich hatte momentan sowieso keinen Kopf, um mir ihretwegen Sorgen zu machen.
Der verdammt noch mal schönste Mann der Welt hatte gerade versucht, mich zu küssen! Wieso? Wieso nur?
Mein Handy klingelte. Tissi! Okay, Teddy, egal, was passiert, bleib stark. Lass dich ja nicht unterkriegen von ihr.
»Hallo Tissi.« Bleib stark.
»Es geht mir schlecht, Teddy.«
Ich öffnete