der bunten Welt der Fernseh- und Medienleute lauscht, ist man mordsbeeindruckt und denkt: Wow, die Frau hat’s geschafft. Laut eigenen Angaben ist sie so was wie das weibliche Pendant zu Thomas Gottschalk. Gesehen habe ich sie bis jetzt allerdings nur als Ansagerin. Sie liest, ohne zu stottern, aber das ist auch so ungefähr das herausragendste Merkmal ihrer Auftritte im Regionalprogramm. Soviel zum Thema Mythos und Wirklichkeit. Aber eins muß man ihr lassen. Immer tipptopp zurechtgemacht ist sie. Wie aus dem Ei gepellt. Eine dieser perfekten Modelle. Nie eine Laufmasche, keine abgebrochenen Fingernägel oder fehlenden Knöpfe. Solche Frauen verderben die Moral. Ich kann diese Trullas nicht ab. Sie stressen mich. Allein durch ihren Anblick. Fettige Haare, Schuppen, herausgewachsene Ansätze, alles Dinge, die es für diesen Typ Frau offensichtlich nicht gibt. Allein durch ihre Anwesenheit üben solche Frauen Druck auf andere aus. Unwissentlich oder absichtlich? Wer weiß. Obwohl ich, als mißtrauische Person, eher dazu tendiere, es für Absicht zu halten.
Jetzt und hier ist mir das alles allerdings mehr als schnuppe. Selbst die wirklich nötigen Ausbesserungsarbeiten spare ich mir. Ich will nur noch eins: heim. Ein Stückchen Vollmilchnuß, meine Ruhe und einen Waschlappen mit Eisstückchen für meinen Fuß. Dazu möglichst noch eine treu ergebene Freundin, die ich volljammern kann. Eine wie Heike, die leider mittlerweile in München wohnt. Heike ist eine etwas phlegmatische Person, die von Männern per se wenig hält, sexuell schon überhaupt nichts, und gerne zuhört. Heike ist der Typ Freundin, mit der man den Abend auf der Couch verbringen kann, ohne sich verpflichtet zu fühlen, die ganze Zeit für Unterhaltungsstoff zu sorgen. Bei Heike habe ich keine Hemmungen, auch für mich selbst wenig schmeichelhafte Geschichten auszubreiten. Solche, die man ansonsten lieber für sich behält, weil sie einfach zu peinlich sind. Oder sie leicht geschönt und abgewandelt zum besten gibt. Mit ein, zwei Pointen frisiert.
Heike ist eine Seele von Mensch. Uneitel, ehrlich, und das alles, ohne verletzend zu sein. Wen sie einmal in ihr Herz geschlossen hat, der hat in ihr eine Freundin fürs Leben. Sie ist ein Goldschatz, bezeichnet sich selbst aber als böses Mädchen. So nennen sich Lesben nun mal gerne. Ihr Coming-out war reichlich spät und für mich absolut unerwartet. So mit Ende 20. Ich habe sie noch als Heterofrau kennengelernt. Irgendwann hat sie es mir gestanden. Bei einem Abendessen. »Du, ich muß dir was Wichtiges sagen, ich weiß nicht, wie du es aufnimmst, ich bin eine, also, ich liebe Frauen. Lesbisch bin ich.« Erwartungsvoll hat sie mich angesehen. »Fein«, habe ich gesagt und »Nehmen wir noch einen Nachtisch?« Ich meine, es hat mir nicht die Sprache verschlagen oder so. Ich habe mir schon so was gedacht. Nicht nur, weil wir die letzten 4 Monate immer im gleichen Lokal essen mußten. Einem Lokal, wo die Kellnerin bedeutend leckerer aussieht als das Essen. Heikes roten Kopf beim Bestellen hätte ich selbst ohne Kontaktlinsen mit minus 5 Dioptrien noch bemerkt.
Nach ihrem Geständnis war sie sichtlich erleichtert. Zwei ihrer langjährigen Freundinnen haben die Nachricht nicht so sehr gut verkraftet. Zeigten alle Anzeichen eines mittleren Panikanfalls. Was mache ich bloß, wenn sie mich antatscht und verführen will? Mir ihre unsterbliche Liebe gesteht? So, als bedeute die Tatsache, daß jemand lesbisch ist, daß jede beliebige andere Frau zum Objekt der Begierde wird. Wie bei einer simplen Gleichung: Ich lesbisch + du Frau = wir Sex. Ich wäre eh nicht auf die Idee gekommen, daß sich Heike in mich verguckt hat. Sie kennt mich viel zu gut. Also hat sich an unserer Beziehung nichts geändert. Nur, daß ich jetzt auf der Suche nach einer tollen Frau für sie bin und mein Bruder Stefan, den Sabine verschmäht hat, auch für Heike nicht in Frage kommt. So doll ist es um seine weiblichen Anteile nicht bestellt. Heike und mich kann dauerhaft nichts trennen. Ich sehe uns schon in 50 Jahren gemeinsam im Kaffeehaus Sahnetörtchen essen und rumtratschen, bevor wir einträchtig mit dem Bus zurück ins Altenheim brausen. Eine runzliger als die andere. Aber mopsfidel. Mit ihr würde ich sogar das Apartment in der Seniorenwohnanlage teilen. Heim sagt man heute nicht mehr. Ist negativ besetzt. So eine Freundin ist Heike. Aber halt leider weit, weit weg. Ich werde sie sofort anrufen, wenn ich daheim bin.
Scheiße, ich bin ja ohne Auto da. Verdammt. Wo ist Porsche-Gregor? Der soll mich mal schön heimfahren. Vielleicht verhunze ich ihm so wenigstens auch den Abend. Wäre ja noch schöner, wenn ich zur Krönung des Abends noch einen Fuffi fürs Taxi latze. Nicht, daß ich geizig wäre, aber so dicke habe ich es