schlecht gelaunt sind, kassieren die volle Breitseite. Ausdauernd »Schlecht-drauf«-Leute machen mir miese Laune. Und die kann ich nicht brauchen. Also lasse ich den Muffelbock Christoph vor dem Fernseher und ziehe mich zurück. Ins Bett. Der wird sich schon wieder einkriegen. An solchen nicht gerade vielversprechenden Abenden gehe ich am liebsten früh ins Bett. Lese einen netten Schmöker und gönne mir eine Tafel Vollmilchnuß. Irgendwann kommt er dann angeschlunzt, als wäre nie was gewesen, und ich großherziges Wesen verzichte darauf, in der Wunde rumzubohren, und schwuppdiwupp ist alles wieder gut. Aussitzen ist eine meiner Spezialitäten. »Kommen lassen« nennt man das beim Fußball. Diesmal scheint es nicht geklappt zu haben. Ich werde mitten in der Nacht wach. Von einem dezenten Schnarchen. Anscheinend hat meine Frühstücksansprache sein Unterbewußtsein erreicht und wenigstens die Phonzahl beeinflußt. Ich drehe mich nach links. Das Bett ist leer. Da, wo normalerweise Christoph selig schnarcht, liegen nur noch ein paar Bröckchen Vollmilchnuß. Die Bettdecke ist auch weg. Schwer zu finden ist er nicht. Immer nur dem Schnarchen nach. Im Wohnzimmer werde ich fündig. Auf der Couch hat er sich ausgebreitet. Was für eine Taktik. Die »Ich opfere mich für dich auf«- und »Wo bleibt dein Mitleid«-Masche. Darauf falle ich nicht rein. Immerhin hat er sich freiwillig auf die Couch gelegt. Kein Zwang meinerseits. Andererseits scheint mir das die optimale Situation, um einen perfiden Plan auszuführen.
Im Dunkeln kruschpele ich meine Polaroidkamera raus. Und den Kinderkassettenrekorder mit dem angeschlossenen Mikro. Seit Jahren schleppe ich den von Umzug zu Umzug. Nach dem Motto: Vielleicht kann ich ihn ja irgendwann noch brauchen. Jetzt ist seine Stunde da. Kassette rein und die Record-Taste gedrückt. Nach 10 Minuten reicht’s. Noch eine schöne Aufnahme vom schlafenden Christoph, der mit halboffenem Mund weiterhin die bizarrsten Schnarchgeräusche von sich gibt. Ich gehe richtig nah ran mit der Polaroid. Er hat nichts gemerkt. Die Zunft der Privatdetektive wäre stolz auf mich.
Am nächsten Morgen mein perfekter Auftritt. Eine gute Inszenierung ist wichtig. Ich wecke ihn mit einer Tasse Kaffee. Viel Milch, kein Zucker, ganz wie es der Herr liebt. Als er nach den ersten Schlucken halbwegs bei Bewußtsein ist, kuschele ich mich an ihn und hauche ihm ein »Ohne dich ist das Bett ganz schön leer« ins Ohr. Über soviel Aufmerksamkeiten am frühen Morgen ist Christoph leicht verdattert. Aber er genießt es. Wenn auch irritiert. Gerade Männer, die nicht andauernd umsäuselt werden, wissen so was zu schätzen. Permanente Nettigkeit wird nicht gedankt. Das ist leider ein Fakt. Liebenswürdigkeiten, als Überraschungshäppchen dargeboten, bringen mehr.
Eine Viertelstunde später sitzt der frisch geduschte Jungjurist am nett hergerichteten Frühstückstisch. Getreu dem Motto: eine schöne Situation wird durch die passende akustische Untermalung noch schöner, schiebe ich die Schnarch-Kassette in unsere Anlage, drehe auf volle Lautstärke und warte auf eine Reaktion. Dummerweise erkennt sich der Interpret nicht sofort: »Ist das so ’ne CD mit Walfischgesängen?« erkundigt er sich schmatzend. »Nicht direkt«, antworte ich etwas hämisch. Ich gehöre zu den Menschen, die sich offen und ehrlich zu einer gewissen Schadenfreude bekennen. Beim Griff zum zweiten Vollkornbrötchen dämmert es ihm. Und er lacht. Nicht verlegen, sondern aus vollem Hals. Anfallartig.
In diesem Moment habe ich beschlossen, ihn zu behalten.
Ein Mann mit Humor ist selten. Selbst wenn sich der Humor erst beim zweiten Anlauf zeigt.
»Na, suchen Sie was«, raunt neben mir eine Kinderschwester und stiert mich an, als hätte sie just in diesem Augenblick eine potentielle Kindesentführung verhindert. »Nee, ich wollte nur noch mal nach meiner Tochter sehen«, weise ich sie mit Besitzerstolz auf Claudia hin. Schwester Christel, eine zarte Person, zurechtgemacht wie für eine Krankenhausserie, rosa Lipgloss und gestärktes Häubchen, wirkt sichtlich beruhigt und nur ein kleines bißchen enttäuscht. Hätte ja ihr spektakulärer Auftritt werden können. »Na, da wollen wir den Zwergerln mal ihren wohlverdienten Schlaf gönnen, die fordern schon bald ihr Recht, keine Sorge.«
Fast, als wolle sie sagen: »Die sehen Sie schneller wieder, als Ihnen lieb ist.« Ich lasse sie in dem Glauben, ich wäre nur im Babyschlafraum, weil ich es vor Sehnsucht nicht aushalten kann. Eine Frau wie Schwester Christel erscheint mir wenig empfänglich für Frau Tratschners Knödelmarathon.
Mittlerweile ist es 20.15 Uhr. Beste Tatort-Zeit. Wenn man einen Fernseher hätte. Mutig entscheide ich mich, nachzusehen, ob der Verdauungsthriller abgeschlossen ist. Ich öffne beherzt meine Zimmertür und sehe es auf den ersten Blick: Ein Mißerfolg. Frau Tratschner ruft ungefragt: »Wieder nix«, und Waschbecken-Inge brabbelt etwas von langsam weichenden Blockaden. Hergott, laß sie auf Detailberichte verzichten.
Ich muß jetzt schlafen, und mit einem Seitenblick auf Frau Tratschner ringe ich mich zu einem taktischen »Tut mir echt leid« durch. Schließlich werde ich noch