ist sie auch immer noch solo. Sie will einfach nicht kapieren, daß Männer wie Clooney im wirklichen Leben äußerst selten vorkommen. Und wenn, haben sie auch nicht gerade auf Sabine gewartet. Ich mag meine Freundin natürlich sehr, aber irgendwann sollte eine Frau in ihrem Alter begreifen, daß Fernsehen und das wahre Leben wenig gemein haben.
Daß sie meinen kleinen Bruder verschmäht, den ich ihr wirklich mehrfach wie Sauerbier angeboten habe und der, wäre Inzest nicht strafbar, sogar mir gefallen könnte, ist eine andere Sache.
Aber ihre Buchtips sind verläßlich. Auch »House of Gods« beginnt vielversprechend:
»Das Leben ist wie ein Penis; ist es schlaff, kannst du es nicht in den Griff kriegen. Ist es hart, wirst du aufs Kreuz gelegt.« Während ich darüber nachdenke, ob das ein Spruch für Kerle oder Frauen sein soll, passiert’s.
Mitten rein in die unglaublich schöne Stille knallt der erste. Eindeutig von links. Vornehme Menschen nennen es einen Pups. Das aber war, was die Lautstärke angeht, eindeutig ein Furz. Und was für einer. »Ach, meine Flatulenzen, da kann man nix gegen machen«, outet sich Frau Tratschner ohne jedes Schuldgefühl:
»Seit dem Kaiserschnitt ist da alles ganz durcheinander. Als wäre mein Magen-Darm-Trakt beleidigt, daß da einer rumgeschnippelt hat. Seit drei Tagen habe ich nicht mehr. Aber ich hab so ein Gefühl, als könnte es heut abend was werden. Ist das nicht großartig?«
»Verlaß dich ganz auf deine Intuition; wenn dein Bauch ja sagt und will, dann wird das schon«, vermeldet Waschbecken-Inge. »Ich habe gestern und heute auch nur so kleine harte Knödel rausgedrückt, eigentlich ja logisch.«
Was daran logisch sein soll, ist mir ein Rätsel. Inge setzt ihre Verdauungsgeschichte ungefragt fort, fast, als hätte sie meine nicht geäußerten Bedenken gehört: »Mein Unterleib zeigt dadurch die Härte, die er fühlt. 9 Monate hat er mit Konstantin Samuel David gemeinsam verbracht, und nun ist da diese Leere. Unbarmherzig und abrupt.« Frau Tratschner, sichtlich beeindruckt von diesen schwachsinnig, pseudo-esoterischen Ausführungen, klingelt nach der Schwester und der Bettpfanne. Na, das kann ja ein Späßchen werden. 3 erwachsene Frauen, junge Mütter in freudiger Erwartung von Frau Tratschners erstem Stuhlgang. Ich bin peinlich berührt. Schließlich gehöre ich zu den Frauen, die sich selbst auf dem Betriebsklo schwertun, richtig mit Genuß abzufurzen. Es könnte ja jemand reinkommen. Oder auf dem Nebenklo sitzen. Früher bin ich sogar soweit gegangen, beim Pinkeln die Spülung zu ziehen, um nur ja keine Geräusche von mir zu geben. Natürlich nur, wenn andere in der Nähe waren. Zum Beispiel bei Abendeinladungen. Die müssen ja nicht aufs Tröpfchen genau meine Pinkelei verfolgen, während sie ihr Tiramisu löffeln.
Ökologisch bedenklich und ein gefundenes Fressen für jeden Analytiker: Gestörtes Verhältnis zu den eigenen Ausscheidungen.
Was das über meinen Charakter und mein weiteres Leben aussagt, will ich gar nicht wissen. Aber da es auf den meisten öffentlichen Toiletten ruhiger zugeht als daheim, scheinen viele dieses Problem zu haben. Frau Tratschner wuchtet sich umständlich auf die Bettpfanne. Was wünscht man in einer solchen Situation: »Ordentlichen Haufen!«, »Gut Schiß!« oder nur »Fröhliche Verrichtung!«? Bevor ich überhaupt irgend etwas sagen kann, knattert es los. Wie bei einer Mini-Maschinenpistole.
»Na also, das hört sich doch vielversprechend an«, jauchzt Inge. Will die hier ’ne Verdauungsreportage machen?
»Ich gehe noch mal nach meiner Tochter gucken«, werfe ich in den Raum und schleiche mich davon. Allerdings nicht ohne Frau Tratschner ein ermunterndes »Toi, Toi, Toi!« zuzurufen.
Die Frischlinge sind im Nebenraum untergebracht. 6 Winzlinge in häßlichen Miniatur-Gitterbetten auf Rollen. Jedes mit einem riesigen Namensschild versehen. Damit nur ja kein Wunderkind mit einem anderen vertauscht wird. Der Alptraum. Nach Jahren zu merken, daß man einem wildfremden Kind die Karotten reingestopft und die Töpfchen geleert hat.
Wenn sie schlafen, sind sie wirklich herzergreifend. So zart und klein. Und so unbeschreiblich ruhig. In fast jedem Bettchen liegt ein Kuscheltier. Von den stolzen Vätern oder den verklärten Paten. Schon hier die ersten Klassenunterschiede. Kindern aus feineren Familien leistet zumindest ein Sigikid oder sogar ein Steifftier Gesellschaft. Die anderen haben No-Name-Viecher. Ich sag’s immer, die Welt ist halt nicht gerecht. Obwohl’s den Babys wahrscheinlich schnuppe ist. Jedenfalls jetzt noch. Später kann einen so was traumatisieren. Eine falsche Jeans und du bist out. Ich mußte Jinglers tragen und das in Wrangler-Zeiten. Noch dazu alte Jinglers von irgendeinem bescheuerten Cousin. Zweiten Grades. Da half kein Jammern und Meckern, meine Eltern blieben knochenhart. »Die ist noch gut, und außerdem ist Jeans gleich Jeans.« Fatal.
Und hier werden vor meinen Augen Neugeborene auf die gleiche Art stigmatisiert. Nur merken sie es noch nicht. Angeblich können sie sowieso noch nicht klar sehen. Nehmen nur Farben wahr. Besonders Rot. Der Gedanke tröstet mich. Sind exklusive