Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,12

Meter und das nächste Haus etwa fünfzig Meter entfernt. Ich nahm das Handy vom Ohr und horchte.

Der raue und salzige Geruch des Meeres und der Rhythmus der Wellen, die ans Ufer schlugen, wirkten trotz Wind und Regen beruhigend und tröstlich. Manche Leute behaupteten, dass wir das Geräusch des Meeres seit Urzeiten in unseren Genen haben und dass das Meer uns irgendwann wieder unter sich begraben wird.

Ich kletterte die Stufen hinunter und ging zum Taxi zurück.

Etwa auf halbem Weg zwischen der Plattform und dem Taxi wurde ich plötzlich von einem Lichtkegel angestrahlt. Ich blieb stehen, hörte schwere Schritte aus Richtung des Lichtes.

Es waren zwei Männer mit grellen, schweren Taschenlampen, die sie auf der Schulter trugen. Sie sagten nichts, ich sagte nichts. Nur Meer und Wind sprachen, übertönten sich gegenseitig mit ihrem Rauschen. Beide Männer machten einen Schritt auf mich zu. Sie standen jetzt rechts und links vor mir. Wahrscheinlich war ihnen beigebracht worden, so zu stehen: weit genug voneinander entfernt, aber so, dass sich die Lichtkegel ihrer Lampen über dem Kopf des Opfers kreuzten.

Das grelle Licht zwang mich, den Kopf zu senken, und ich sah den Schlagstock erst, als er mich in die Seite traf, über der linken Niere.

Ich ging zu Boden und schnappte nach Luft, der Schmerz lähmte mich, nagelte mich fest.

»Was machst du hier?«, kam es von oben.

Ich wollte sagen, dass ich in friedlicher Absicht unterwegs war, mich nur umsehen wollte. Aber so weit kam ich nicht, denn schon spürte ich einen eisenbeschlagenen Springerstiefel im Bauch. Die letzten Sauerstofffetzen verflüchtigten sich, und die Strahlen der Lampen flimmerten wild vor meinen Augen.

»Was schleichst du hier rum?«

»Bist du ein Schnorrer?«

»Wir brauchen hier keine verdammten Flüchtlinge.«

Ich versuchte etwas zu sagen, aber aus meiner Kehle kamen nur Speichel und Pfeifen, nichts, was als Satz gelten konnte.

»Penner.«

Ein neuer Tritt in die Seite.

»Loser.«

Ein Hieb mit dem Schlagstock auf die rechte Niere.

»Schwuchtel.«

Ein Tritt in die Leisten.

Ich sah nichts, hörte nur die hasserfüllten Worte. Ich rollte mich auf den Bauch. Der Schlagstock fuhr auf meinen Rücken nieder wie ein großes wütendes Beil.

»Sei froh, dass wir heute nur zu zweit sind.«

»Du kommst noch gut weg.«

»Kann sein, dass du bloß stirbst.«

Gelächter. Der Schlagstock sauste auf mein linkes Ohr nieder, dass es heiß und gleichzeitig taub wurde. Erneutes Gelächter.

Dann eine dritte Stimme, jünger, auf Englisch: »Zurück. Oder ich schieße.«

Die Lichtkegel der Lampen verschwanden.

»Weg da, weg da, oder ich töte euch.«

Schwere Schritte, die sich diesmal entfernten.

»Verschwindet!«

Leichtere Schritte. Hände packten meine Jacke, rissen mich hoch.

»Steh auf.«

Ich versuchte, aufrecht zu stehen. Es war nicht leicht. Ich lehnte mich an irgendwas.

»Zum Auto.«

Ich warf mich auf die Bank, streckte mich lang aus. Etwas knallte hinter mir. Die Welt kreiste um mich, ich drehte mich auf den Rücken, rollte mich auf die Seite, meine Stirn stieß gegen etwas.

»Nichts wie weg hier!«

Natürlich. Ich war im Auto. In Hamids Taxi.

»Die haben dich fast totgeschlagen.«

Ich drehte mich auf den Bauch, streckte den Kopf vor und übergab mich in den Fußraum.

»Ach du Scheiße. Jetzt müssen wir wirklich schnell machen.«

Ich versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Wollte mich am Türgriff festhalten. Probierte, die Augen zu öffnen. Ich scheiterte.

»Es dauert fünfzehn Minuten. Nur fünfzehn Minuten.«

Fünfzehn Minuten. Aber wohin?

7 Ich umarmte Johanna, roch an ihrem Hals und küsste ihre warmen Lippen. Sie lachte leise, lehnte den Kopf ein wenig zurück und sah mir in die Augen. Ich wollte etwas sagen, aber da war sie schon wieder in meinen Armen und legte den Kopf auf meine Brust. Ich streichelte ihren Kopf, ließ die Haare durch meine Finger gleiten und legte die andere Hand in ihren Nacken, der schmal, zart und am Haaransatz glühend heiß war.

In den Fingerspitzen spürte ich ihre Muskeln, jenen empfindlichen Punkt, an dem alles, das ganze Leben, hängt. Sie blickte auf, ich sah wieder in ihre Augen und entdeckte einen grünen Widerschein darin. Ich zog sie immer enger an mich. Sie war klein und weich, so wie jeden Morgen, wenn sie sich nach dem Weckerklingeln an mich schmiegte, den Arm über meine Brust und die Hand auf meine Schulter legte, ihre Stirn an meine Wange drückte und fast wieder einschlief, leise schnaufte oder etwas Nettes und Lustiges sagte.

Ich hielt sie fest, so als wüsste ich, dass es, wenn ich sie jetzt losließe, für immer wäre. Ich roch an ihrem Kopf, sog ihren Geruch in mich ein, wie um ihn zu speichern, damit ich mich lange und genau daran erinnern könnte. Johanna atmete gleichmäßig, uns umgab Stille, und wir waren in Sicherheit, wir hatten uns.

Dann schrak Johanna zusammen, so wie manchmal, wenn sie eingeschlafen war. Jemand zog sie weg. Ich zog zurück, presste

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