Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,56
es satt, am Arsch zu sein.«
Während ich in den Lauf der Waffe blickte, musste ich unwillkürlich an Gromow denken. Dann fragte ich: »Lebt Tarkiainen noch?«
Väntinens Mundwinkel verzogen sich für einen Moment. »Weit mehr interessiert es dich doch, wie es deiner Frau geht, nicht wahr?«
Er hatte recht.
»Wo ist Johanna?«, fragte ich und zitterte vor Kälte. Regen, Wind und null Grad waren eine eisige Kombination.
»Ich glaube, das werde ich dir nicht erzählen«, sagte er. Der Lauf der Waffe hob sich um einige Zentimeter. »Du darfst sterben, ohne es zu erfahren. Neugierige Hampelmänner wie du kotzen mich einfach an. Überleg selbst. Wärst du hier, wenn du nicht in meine Kneipe gekommen wärst, um mir von deiner Alten vorzujaulen?«
Ich musste unbedingt Zeit gewinnen. »Tarkiainen«, begann ich auf der Suche nach einem Thema, »war er es, der mit allem angefangen hat?«
Väntinens Mundwinkel verzogen sich noch mehr. »Okay«, sagte er. Sein Ton war lässig und überheblich. »Stehen wir also im Regen und plaudern. Wie hat alles angefangen? Pasi wollte wie immer die Welt verbessern, es ging um den Klimawandel. Er sagte, dass die Leute endlich Verantwortung für ihr Tun übernehmen sollten. Warum nicht, sagte ich.«
Sein Lächeln war verschwunden, er fixierte die Waffe.
»Pasi sagte, dass er bereit wäre, zu drastischen Mitteln zu greifen. Aber das sagen ja alle, bis es dann wirklich drastisch wird. So war es auch mit Pasi. Erst große Reden schwingen und dann rumheulen, wenn die Scheiße an die Wände spritzt. Für mich war die Sache ganz einfach, wir killen ein paar Arschlöcher und kassieren ab. Keiner leidet. Aber Pasi bekam Probleme und konnte gar nicht der Heiler sein. Ich musste neben meinem Job auch noch sein ganzes elendes Gewäsch ertragen.«
Ich versuchte mich umzublicken, Väntinen bemerkte es.
»Willst du zuhören oder abhauen? Ist mir egal. Ich bin längst am Überlegen, ob ich dir in die Stirn, den Hals oder die Brust schießen soll.«
Ich zitterte vor Kälte und hielt den Blick auf die Schatten in Väntinens Gesicht gerichtet. Er stand etwa vier Meter vor mir. Ich hörte nichts als den Regen, keine Autos, geschweige denn Menschen. Wo waren all die gefährlichen Bewohner des Zentralparks, wenn man sie brauchte?
»Das dürfte dich interessieren«, fuhr Väntinen fort. »Ich komme jetzt zu deiner Frau, dieser nervigen Heulsuse, sorry. Willst du es hören oder nicht?«
Ich nickte krampfhaft, die Kälte ging mir durch Mark und Bein.
»Ja, das dachte ich mir«, sagte Väntinen. »Es war der letzte Tropfen, das letzte Missverständnis in dem verdammten Theater. Dabei war es nicht allein die Schuld deiner Frau, obwohl sie wirklich eine verpisste, neugierige Fotze ist. Wie du weißt.« Väntinen lächelte, dann fuhr er fort: »Pasi hatte so seine Träume. Dass wir jemanden von der Zeitung für unsere Sache gewinnen können. Dass wir positive Presse kriegen, so unglaublich das auch klingt. Er meinte, die Leute müssten verstehen, was wir tun und warum, dann würden sie auch die Notwendigkeit erkennen.« Jetzt lachte er fast. Mit dem Pistolenlauf machte er ein paar kleine Kreise. »Und das Allerbeste: Am Ende schließen sich uns alle an. Was sagst du dazu?«
Ich sagte gar nichts.
Väntinen bemerkte mein Zittern. »Du zitterst ja vor Eifer. Ich selbst war nicht so begeistert. Es hat mich aber auch nicht gestört. Ich wollte einfach ein verdammt gutes Geschäft machen.«
»Tarkiainen ist also auch daran beteiligt«, sagte ich.
»Ich musste ihn regelrecht zwingen. Er hielt diese ganze Geschichte mit dem Sicherheitsdienst irgendwie für zynisch. Er hatte Angst, dass sich die Leute gegen uns wenden, wenn sie von dem Deal erfahren. Deshalb brauchten wir einen Journalisten, der das Große und Ganze begreifen und einem breiten Publikum die guten Seiten erklären konnte. Da fiel Pasi seine Ex-Frau ein.«
»Sie waren nie verheiratet«, sagte ich. »Wo ist Johanna?«
Väntinen lachte kurz und kalt. »Kapierst du es nicht? Ich werde es dir nicht sagen. Du wolltest wissen, wie alles anfing, jetzt weißt du es. Mehr erzähle ich dir nicht.«
Wir standen einen Moment schweigend da. Der Regen trommelte und tanzte in den Bäumen, auf dem nassen Boden, links hörte ich einen Bach plätschern. Irgendwo in der Ferne, tief im Wald, kreischte eine Motorsäge, oder vielleicht war es auch das Geräusch eines Mopeds. So weit weg, dass es für mich keinen Nutzen hatte. Ich musste unbedingt das Gespräch in Gang halten.
»Warum?«, fragte ich.
»Was warum?«
»Ganz generell«, sagte ich und richtete meinen Blick wieder auf den Bereich um seine Augen, ohne etwas anderes zu sehen als schwarze Schatten. »Warum erzählst du es nicht? Und warum hast du unschuldige Menschen getötet?«
Er zuckte mit den Schultern. So gleichgültig, als ob es um eine Essensbestellung ginge.
»Das Ende ist gekommen«, sagte er leichthin. »Spielt es