Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,54

noch liebe. Tarkiainen hat versprochen, mir dabei zu helfen.«

»Wie kann dir Tarkiainen dabei helfen?« Meine Fragen hallten ungeduldig und schnell durch den Raum, als kämen sie gar nicht von mir.

»Johanna wollte mir nicht zuhören. Ich habe mir so sehr eine zweite Chance gewünscht.«

»Eine Chance, um was zu machen?«, fragte ich.

»Ich wollte Johanna begreiflich machen, dass ich sie liebe.«

Klar. Und um ihr zu beweisen, dass du sie liebst, täuschst du deine langjährige Kollegin und treibst sie Mördern in die Hände.

»Tarkiainen hat versprochen«, fuhr Gromow rasselnd fort, »dass er Johanna dazu bringen kann, mir zuzu­hören. Und er wollte sie unbedingt selbst treffen, denn er hatte Informationen über den Heiler, die er ihr nur persönlich erzählen wollte.« Gromow flüsterte stoßweise.

»Tarkiainen wusste so viel«, fuhr Gromow plötzlich mit Eile fort. »Von Johanna, von mir, von allem. Ich habe ein Treffen zwischen Johanna und Tarkiainen arrangiert und ihr gesagt, dass ich einen Wink bekommen hätte. Tarkiainen sollte zunächst mit ihr reden und sie dann hierher zu mir bringen.«

Er hörte abrupt auf und versuchte zu atmen. Seine Lunge schien weder Luft aufzunehmen noch freizusetzen. Er stieß ein paar weitere Worte aus: »Aber dann kam nur Väntinen. Und ich liege hier.«

»Johannas Telefon«, sagte ich. »Du hattest es in der Hand.«

Gromow versuchte zu nicken. Seine Augen schlossen sich, und sein Kinn zuckte. Von irgendwo bekam er wieder Luft. »Noch eine Sache«, sagte er. »Für dich.«

In seinen Augen wechselten sich Verzweiflung und Hoffnung ab. Es war, als könnte er immer mal wieder das rettende Seil packen, das ihm aber ein ums andere Mal aus den Händen glitt. Ich wartete lange und wollte mich schon umdrehen, um nach dem Handy zu suchen, doch da fing er wieder an zu reden.

»Du weißt nicht, wie das ist«, sagte er.

Ich schwieg.

»Du weißt nicht, was Liebe ist. Du weißt nicht, wie es ist, die Geliebte zu verlieren«, sagte er. »Und sie zurückzubekommen.«

Was sollte das? Ich blieb stumm, betrachtete Gromows schweißglänzendes, aschfahles Gesicht.

»Ich liebe Johanna schon länger als du. Du weißt längst nicht alles.«

Es schien, als wollte er lächeln, wenn er nur könnte. Ich schob die Hände in die Jackentaschen, eine recht lässige Geste in Anbetracht dessen, dass vor mir ein sterbender Mann mit aufgerissenem Brustkorb lag.

»Wir waren junge Liebende«, sagte er, und es klang so triumphierend und stolz, wie das bei jemandem kurz vor dem Tod überhaupt möglich war. »Vor zwanzig Jahren. Bis Johanna mich verließ. Wegen eines Missverständnisses. Dann führte uns das Leben wieder zusammen. Ich bin ihr immer treu geblieben.«

Ich betrachtete den blutenden Mann im Bett und nahm die Hände aus den Taschen.

»Johanna hat erzählt, dass du alles andere als treu warst«, sagte ich.

Gromow stöhnte vor Schmerz. Es klang, als würde eine Säge über Metall schrammen. »Ich wollte sie eifersüchtig machen. Wollte, dass sie denselben nagenden Neid spürt.«

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, mich zu beherrschen. Gromow würde nicht mehr lange atmen. Da sah ich in seinen Augen diesen schroffen Hochmut, den ich von früher kannte. Ich verstand nicht, woher er die Kraft dafür nahm.

»Und das hat auch geklappt«, sagte er mit fast ganz normaler Stimme, so dass ich erschrak.

»Wo ist Johannas Handy?«, fragte ich.

»Johanna liebt mich immer noch. Weißt du, woran ich das erkenne?«

»Schluss jetzt mit dem Mist«, sagte ich und versuchte, nicht meine Stimme zu heben. »Ich brauche das Handy.«

Gromow bekam wieder Atemprobleme. Er schnappte eine Weile mit geschlossenen Augen nach Luft, bis Sauerstoff in sein Blut gelangte, dann sah er mich wieder mit trotzigem Blick an.

»Ich habe es an einer bestimmten Tatsache erkannt«, sagte er.

Ich blieb stumm.

»Als es wirklich kritisch wurde, wollte sie dich nicht anrufen.«

Ich sah ihn an und wünschte mir, dass er starb, aber auch, dass er am Leben blieb.

»Du lügst«, sagte ich unwissend darüber, ob er die Unsicherheit in meiner Stimme registrierte.

»Warum sollte ich lügen«, sagte er. Das Sprechen zehrte an seinen Kräften. »Ich erzähle nur, was geschehen ist. Sieh mich an.«

»Johanna hätte mich angerufen, wenn sie gekonnt hätte.«

»Sie hatte die Möglichkeit«, sagte Gromow, und im selben Moment hörte sein Brustkorb auf zu zucken. Er bemerkte es selbst und wollte schnell noch etwas sagen, schaffte aber nur: »Aber sie hat nicht angerufen.«

Über sein Gesicht zog ein Staunen, sein Mund öffnete und schloss sich wieder. Er hob kurz den Kopf an und senkte ihn sofort. Die Augen starrten an die Decke.

Die Feuchtigkeit im Raum, der rohe und faule Geruch nach totem Mensch und meine beklemmenden, kreisenden Gedanken waren zu viel für mich. Gromows letzte Worte hallten lauter durchs Zimmer, als sie aus seinem Mund gekommen waren. Ich sah mich schnell um, öffnete Schränke und Schubladen auf der

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