Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,21

die Polizei hätte ihn gefunden.«

»Nein«, sagte Lassi. »Die Männer einer privaten Sicherheitsfirma haben angerufen und gesagt, dass sie ihn in die Pathologie bringen. Neuerdings ist das ja erlaubt, wie du vielleicht weißt.«

»Ja, weiß ich, weiß ich«, sagte ich ungeduldiger als ­beabsichtigt. »Das meinte ich gar nicht.« Ich holte Luft und wollte den Rücken noch mal gerade machen. Der Schmerz ließ nicht nach.

»Okay«, sagte Lassi. »Dann sag mir doch, was du meinst.«

Ich erzählte ihm von Johannas Recherchen und meinen Nachforschungen und besonders davon, wie ich ­zusammengeschlagen worden war. Dabei ging ich in die Küche, ließ mir ein Glas Wasser einlaufen und setzte mich an den Ess­tisch. Als ich fertig war, schwieg Lassi eine Weile.

»Es besteht natürlich die entfernte Möglichkeit«, begann er und sprach jetzt deutlich langsamer, ohne dabei auf der Tastatur herumzuhämmern. Er klang wie jemand, der beim Telefonieren um sich blickte und nach Antworten suchte, »dass all das in irgendeinem Zusammenhang steht. Aber den sehe ich noch nicht.«

»Gromow ist tot«, sagte ich. »Wäre er bei einem Unfall ums Leben gekommen, hätte man ihn wohl kaum in den Straßengraben geworfen. Und woher weißt du überhaupt, dass er im Straßengraben gefunden wurde? Die Sicherheitsleute haben ihn wahrscheinlich irgendwo getötet und dann direkt zur Pathologie gekarrt.« Meine Stimme hatte sich gehoben.

Lassi bemerkte es. Sein Tonfall wurde sarkastisch. »Na sicher. Sie ermorden ihn, kutschieren ihn dann zur Gerichtsmedizin und rufen schließlich auch noch höflich bei mir an. Genau so.«

Er machte eine Pause, und ich trank Wasser. Als Lassi weitersprach, schwand mit jedem Wort der Sarkasmus aus seiner Stimme: »Ich habe dich angerufen, weil ich dachte, es würde dich interessieren, dass Johanna zumindest vorläufig und nach jetzigem Wissensstand unversehrt ist. Ich will im Laufe des heutigen Tages klären, was da läuft. Es mag überraschend klingen, aber wir machen uns immer noch etwas aus unseren Reportern und Fotografen. Wir kümmern uns um unsere Leute. Soweit einem das heutzutage möglich ist.«

Für eine Weile sagte keiner von uns ein Wort. Vielleicht eine gemeinsame Schweigeminute für Gromow.

»Und was willst du für Johanna tun?«, fragte ich dann.

Erneutes Schweigen.

»Was kann ich denn überhaupt tun?«, fragte Lassi. »Was in aller Welt kann ich wirklich tun? Mir entgleiten mehr und mehr die Leute, genau wie die Zeitung. Ich habe kaum noch Handlungsspielraum.«

Ich leerte das Glas, stand auf und füllte es erneut. Solange das Wasser lief und man es nicht abkochen muss­te, war das Leben noch erträglich. Es hätte sich zumindest so angefühlt, unter anderen Bedingungen, zu einer anderen Zeit. Ich stellte das volle Glas auf die Spüle.

»Danke jedenfalls, dass du angerufen hast«, sagte ich dann.

Lassi sprach jetzt langsamer und, zu meiner Überraschung, weicher: »Es tut mir leid, Tapani. Ich würde dir und noch so manch anderem wirklich gern helfen, wenn ich nur könnte.«

»Ich weiß«, sagte ich und versuchte, möglichst aufrichtig zu klingen. Dabei blickte ich hinaus in den dunklen Morgen.

»Aber diese Zeiten …«

»Ja.«

»Ich hoffe, du kommst irgendwie klar.«

»Danke«, sagte ich, »ebenfalls.«

Ich legte das Handy weg und wischte mir den Schweiß aus beiden Ohren.

Anschließend wärmte ich mir Hafergrütze in der Mikrowelle auf, rührte einen Esslöffel Honig hinein und aß. Mir ging es schlagartig besser. Ich machte mir gleich noch eine zweite Portion, und während ich sie verzehrte, öffnete ich Johannas Laptop.

Ich las eine Weile, aß die Grütze auf, schaltete die Kaffeemaschine ein, ging ins Wohnzimmer und sah aus dem Fenster. Weit entfernt auf der anderen Seite der Bucht brannten ein paar Lagerfeuer, sonst war die Landschaft dunkel. Nur wenige Lichter waren im Stadtzentrum zu sehen, sie wurden vom sternenlosen Himmel verschluckt. Die schwarzen Äste der kahlen Bäume vorm Haus wirkten in dieser Beleuchtung wie verkohlt.

Ich musste aktiv werden, also kehrte ich zum Computer in der Küche zurück und suchte im Internet nach Pasi Tarkiainen. Die angezeigten Ergebnisse sagten mir nichts Neues. Ich probierte andere Varianten: den Namen und verschiedene Jahreszahlen. In der jüngsten Zeit fand ich nichts und von früher nur das, was ich bereits wusste. Dann kombinierte ich mit dem Namen zunächst die Wohnadressen, anschließend die Arbeitsplätze. Nichts. Ich probierte Namenspaare: Pasi Tarkiainen Harri Jaatinen. Keine Ergebnisse. Pasi Tarkiainen Wassili Gromow. Keine Ergebnisse. Pasi Tarkiainen Johanna Lehtinen. Ein kleiner Hinweis erregte meine Aufmerksamkeit. Neue Suche mit Johannas Mädchennamen: Pasi Tarkiainen ­Johanna Merilä.

Volltreffer.

In meiner Brust wühlte eine kalte Faust, in meiner Magengrube bildete sich eine hohle, schmerzende Stelle, meine Finger auf der Tastatur begannen zu zittern und die Fingerspitzen wurden mir plötzlich taub.

Die Geschichte lag dreizehn Jahre zurück.

Johanna war jung auf dem Foto, ebenso wie Pasi Tarkiainen. Er hatte den rechten Arm um sie gelegt und zog sie eng an sich. Johannas Miene war

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