Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,20

Glas in seiner Linken vor sich ab.

»Wie wär’s mit Hausverbot?«, fragte er.

»Ich habe ein einziges Glas getrunken«, sagte ich. »Das scheint dich sehr gestört zu haben. Oder gibt es das Hausverbot dafür, dass der hier vor fünf Jahren an der Grippe gestorben ist?« Ich zeigte ihm erneut Tarkiainens Foto, und er machte sich auch diesmal nicht die Mühe, hinzusehen.

»Wie heißt du? Nein, du brauchst es gar nicht zu sagen, ich kriege es sowieso raus.« Er richtete sich auf, blähte noch extra den Bizeps und zeigte seine Schultern in ihrer ganzen Breite. Wer auch immer sich den Begriff Muskelprotz ausgedacht hatte, musste ihn vor Augen gehabt haben.

»Warum willst du meinen Namen wissen?«, fragte ich.

Er beugte sich nach vorn, behielt das Kinn aber fast auf der Brust. Sein Blick kam von unten her, die Wangen mit ihren Dellen blieben vollkommen im Schatten. »Damit ich weiß, wer Hausverbot hat, und ich den Mitarbeitern sagen kann, dass dieser Typ hier keinen Zutritt hat.«

»Erzählst du dasselbe auch Pasi Tarkiainen?«

Er machte ein Zeichen zur Tür hin. Ein ungeheuer großes Muskelpaket, dessen Glatze hell und fleischig rosa schimmerte wie roher Lachs, näherte sich.

»Man sieht sich«, sagte ich lässig zum Barmann.

Ich ging auf das Muskelpaket und die Tür zu, roch das beißende Rasierwasser schon aus mehreren Metern Entfernung und machte mich darauf gefasst, dass er mich an irgend­einer Stelle meines Körpers packen würde. Er schielte zum Barmann, trat beiseite und ließ mich ziehen. Ich schaute nicht zurück, als ich auf die Straße kam und zum Taxi ging.

Eine halbe Stunde später lag ich im Bett und starrte hin­aus in die dunkle Nacht, natürlich ohne etwas zu sehen.

Ich dachte an Johanna – und wollte es vermeiden.

Das Haus war still, nichts regte sich, nirgends. Erst jetzt merkte ich, wie müde ich war, wie sehr mein Körper schmerzte, wie hungrig ich war, wie verzweifelt. Ich war außerstande, den Kopf zu Johannas Kissen umzudrehen, geschweige denn, mir ihre Decke überzuziehen, obwohl ich unter meiner fror.

Der Regen trommelte in ungleichmäßigem Rhythmus aufs Fensterbrett, er machte lange Pausen, um dann wieder mit einer dichten Tropfenfolge loszuprasseln und anschließend erneut zu verstummen. Ich schloss die Augen, lauschte dem Wind und dem Regen, entspannte die Muskeln und öffnete die Fäuste. Ohne es zu merken oder zu wollen, schlief ich ein.

EIN TAG VOR WEIHNACHTEN

1 Ich sprang aus dem Bett und angelte mir das Telefon vom Nachttisch. 6.05 Uhr. Eine unbekannte Nummer. Ich hatte fast drei Stunden traumlos geschlafen.

»Lehtinen«, meldete ich mich und war jetzt hellwach, so als hätte ich überhaupt nicht oder sehr lange geschlafen, ohne selbst zu wissen, was von beidem zutraf.

»Lassi Uutela. Ich brauche sicher nicht zu fragen, ob ich zu einem ungünstigen Zeitpunkt anrufe.«

Mein Herz setzte aus. Johanna.

»Nein, brauchst du nicht«, sagte ich und versuchte meine Stimme gelassen klingen zu lassen, ganz so, als hätte ich auch alles andere, was ich hören würde, unter Kontrolle.

»Ziemlich schlechte Nachrichten, die, zumindest in gewisser Weise, mit Johanna zu tun haben. Ich dachte mir, dass du es wahrscheinlich wissen willst.«

»Selbstverständlich.«

»Dieser Fotograf, den wir gestern anrufen wollten.«

»Ja?«

»Er ist tot.«

Mir fiel keine Erwiderung ein. Ich spürte meinen Herzschlag im Hals, bald würde er zur Schläfe hinaufklettern.

»Von Johanna habe ich nach wie vor nichts gehört«, sagte Lassi. »Gromow wurde allein aufgefunden. Es kann also sein, dass das Ganze gar nichts mit Johanna zu tun hat.«

»Wo hat man ihn gefunden?«, fragte ich und schluckte.

»Er wurde auf der Tuusulantie aus dem Auto geworfen, gestorben ist er anscheinend woanders.«

»Wann?«

»Keine Ahnung. Das wird eventuell auch gar nicht geklärt, weil möglicherweise niemand die Zeit hat, den Fall zu untersuchen.«

»Wie ist er gestorben?«

»Hat man mir nicht gesagt.«

Ich zog mir die Strümpfe an, griff als Nächstes nach den Jeans, die am Bettpfosten hingen, und überlegte. »War Gromow bekleidet, hatte er etwas in den Taschen?«

Lassi antwortete nicht sofort. Ich hörte deutlich, wie seine Finger über die Tastatur eilten.

»Keine Angaben«, sagte er. »Oder doch, ich weiß zumindest, dass er keine Kamera und auch kein Handy dabeihatte.«

»Ich dachte eher an Notizzettel, Fotografen haben die Dinger in jeder Tasche, sie sind klein, und bei einer ­raschen Durchsuchung entdeckt man sie womöglich nicht.«

Lassi antwortete wieder nicht sofort. »Na ja«, sagte er gedehnt, und ich hörte wieder die Tasten singen. »Vielleicht hätten sie so was erwähnt, wenn er die Zettel bei sich gehabt hätte.«

»Wer sie? Die Polizisten?«

»Von der Polizei habe ich überhaupt nichts gehört«, sagte er, und nach einer kurzen beklemmenden Pause: »Ich meine die Männer von der Sicherheitsfirma, die ihn gefunden haben.«

Ich erhob mich, das Durchdrücken des Rückens tat so weh, dass mir fast die Luft wegblieb. Ich hielt mich am Bettpfosten fest.

»Ich dachte,

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