Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,52
woanders treffen, nicht hier?«, fragte ich zaghaft. »Falls du mich wirklich treffen willst?«
»Sehr gern, Teddy.« Sie schniefte ein letztes Mal, dann erhob sie sich und strich ihre Shorts glatt. »Rufst du mich an?«
Ich nickte. Wir küssten uns zum Abschied auf beide Wangen, und ich hatte ein warmes Gefühl in der Herzgegend, als Vanessa zur Tür ging, mit einem braunen Eisfleck auf ihrem türkisenen Popo.
16
Fünf Gänge. Eine Kupplung. Ein so ein dämlicher Knüppel und ein so ein winziges Pedal. Was, verdammt noch mal, war daran so schwer?
»Nicht aufregen, liebste Teddy, ganz ruhig. Man braucht Ruhe, um ein Auto zu lenken. Ruhe und Geduld.«
Die Stimme des Zahnarztes klang hypnotisch, trotzdem hätte ich ihm am liebsten eine reingehauen. Was wusste der Mann schon von meinem Leben? Ich hatte keine Zeit für Ruhe und Geduld. Ich musste das bis Sonntag können!
»Ruhe und Geduld … Ruhe und Geduld …«
»Jaaa«, knurrte ich. »Jaaa, verdammt! Tschuldigung.«
»Liebste Teddy, keine Entschuldigungen, bitte. Ich weiß doch längst, wie viel Feuer in Ihnen steckt.«
Wieder soff der Motor ab.
»Ich geb’s auf! Ich geb’s auf!« Das war mein Ernst. Es würde sowieso nie klappen. Ich war eben nicht so wie andere Menschen. Ich war eben nicht normal.
»Nun ja«, begann Strohmann, »wie war es denn damals in der Fahrschule?«
Ich schnaubte und drehte den Schlüssel wieder nach rechts. Den linken Fuß nach oben, den rechten nach unten – der Motor röhrte, und wir fuhren! Wir fuhren tatsächlich!
»Wir fahren! Wir fahren!«
»Wunderbar, Teddy, na sehen Sie … und jetzt wieder auf die Kupplung und –«
»Was? Was soll ich machen?«
»Links auf die Kupplung – Kupplung, Teddy, Kupplung. Stehen Sie auf der Kupplung? Gas, Teddy, Gas – nicht so viel! Nicht so viel! Kupplung, Teddy, Kupplung und schalten! Nach hinten, zweiter Gang, nach hinten … ähh, oje …«
Dem Zahnarzt schien es mehr auszumachen als mir, dass ich den Motor wieder abgewürgt hatte.
Ich hatte meinen Triumph für heute. Ich hatte es geschafft, anzufahren. Mit Kupplung und Gangschaltung.
Strohmann räusperte sich. »Wollen wir es für heute gut sein lassen?«
Ich nickte. Es war Mittwoch. Noch vier Tage bis Sonntag und der erste Schritt, der wichtigste, war gemacht.
Ich fühlte mich richtiggehend beschwingt. Vielleicht hatte ich deshalb auf dem Heimweg das Bedürfnis, gehobene Konversation zu betreiben und so Sachen zu sagen wie: »Ganz unglaublich, dass wir es Anfang September noch auf dreißig Grad schaffen, nicht wahr?« Und: »Wien ist schon eine schöne Stadt.«
Der Zahnarzt belohnte mich mit sanft vorgetragener Zustimmung und seinem Lächeln mit Wimpernschlag.
Er parkte vor meiner Haustür und stieg mit mir gemeinsam aus. Ich war gerade dabei, die leuchtenden Farben des Abendhimmels zu loben, als plötzlich von oben eine Stimme ertönte.
»Ist er das?!«
Mama.
»Ist das der Zahnarzt?!«
Ich knirschte mit den Zähnen. Aliens, bitte holt die verdammte Frau ab.
»Mama, bitte!«
»Ist er verheiratet?!«
Strohmann stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Ich stöhnte: »Bitte entschuldigen Sie, ich muss schnell da rauf, meine Mutter erwürgen.«
Jetzt lachte er, ich lachte mit. Und überlegte, ob ich es wohl wirklich fertigbrächte, sie zu erwürgen.
»Ihre Mutter besitzt eine herzerfrischende Offenheit.«
»Bring ihn rauf!«, kam der Befehl von oben. »Ich will sehen, ob er tatsächlich so gut aussieht, wie du behauptet hast!«
»Ich kann gerne auf einen Sprung mit hinauf –«
»Neineinein«, wehrte ich ab. »Wir haben beide schon genug gelitten. Ich meine, ich meine, wegen meiner Mutter … nicht wegen Ihnen, oder so.«
Er nahm meine Hand und sah mir tief in die Augen.
»Was macht er da, Thaddäa?! Hält er deine Hand?!«
»Sie sollten nicht mit den Zähnen knirschen, Teddy, es wäre sehr schade um die schönen Beißerchen.«
»Ja, es … es tut mir leid …«
»Liebste Teddy … ich freue mich sehr auf unser Wiedersehen morgen.«
Und im nächsten Moment spürte ich schon seine Lippen an meiner Wange.
Die Haustür musste ich nicht aufsperren, da meine Mutter bereits den Summer drückte.
In meinem Kopf drehte sich alles, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Mama ging es wohl ähnlich, sie war vollkommen außer sich: »Er hat dich geküsst, ich bekomme tatsächlich Enkelkinder! Du musst es also irgendwie geschafft haben, ihm zu gefallen. Zahnarzt, sagst du? Nun, es gibt sicher schlechtere Berufe, auch wenn mir ein richtiger Arzt lieber wäre. Er sieht wirklich gut aus – und er hat dich geküsst!«
Sie tat sich augenscheinlich schwer, diese beiden Tatsachen miteinander in Einklang zu bringen. War ja auch schwer zu begreifen, was so ein Mann an mir finden konnte.
»Mama, er gibt mir einfach Fahrstunden.«
»Papperlapapp, Fahrstunden. Ich hoffe nur, er ist nicht einer von diesen Schwulen.« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Letztens stand erst in der Zeitung, dass diese Schwulen pervers sind.«
Ich seufzte. Der Hall klang lange im Treppenhaus nach. »Mama, sag, kannst du dir