Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,23
zu sehen, seine Augen steckten im Ausschnitt der Blondine.
Ich trank einen weiteren großen Schluck. Die Welt war plötzlich eine viel schönere. Alles war so … so easy, so einfach, so groovy. Wozu sich ständig den Kopf zerbrechen? Der Ice Tea machte die Sache mit dem »wurscht« um so vieles leichter.
»Jetzt werd ich mal für kleine Mädchen«, murmelte ich vor mich hin. Dem Rücken von Halbglatze drohte ich: »Dass mir nur ja keiner meinen Ice Tea wegtrinkt.« Mann, ich war so mitten drin im Geschehen, es machte so Spaß dazuzugehören.
Allerdings dauerte es einige Zeit, bis ich das Klo fand, und als ich endlich auf der Muschel saß, war mir so schwindelig, dass ich mich links und rechts an der Wand abstützen musste, um nicht runterzufallen. Mir war schlecht, und gleich nachdem ich meine Blase entleert hatte, entleerte sich auch mein Magen. Spaghetti, Erdbeereis, Long Island Ice Tea. Und dazwischen schwarze Pünktchen. Der Mohn. Ich kotzte gleich nochmal. Mama hatte recht, Alkohol war Teufelszeug.
Von draußen hämmerte es an die Klotür. »Komm endlich raus, andere müssen auch mal!«
»Ja«, stöhnte ich und würgte wieder.
»Andere müssen auch mal!«
»Ja doch!«
»Andere müssen auch mal!«
»Ja«, kreischte ich. Dann riss ich die Tür auf. Zwei Mädchen, die allerhöchstens vierzehn sein konnten, drängten sich an mir vorbei in die Kabine. »Igitt«, sagte die eine, während die andere kicherte.
»Maul halten, Tussies«, fuhr ich die beiden an. »Geht doch heim zu eurer Mami.«
Ich stieß die Tür zum Lokal auf und walzte mir meinen Weg durch die Menge. Ich war so wütend. Jemand boxte mich in die Seite. Ich fuhr herum und starrte in die Augen von irgend so einem Bodybuilder. »Was?«, brüllte ich angriffslustig. »Was willst du von mir? Mich blöd anlabern? Einen auf dicke Hose machen? Mich umbringen?«
Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Ich duckte mich und floh in Richtung Ausgang. Eine Kellnerin packte mich an der Schulter.
»Zahlen!«
»Jaaaaa«, machte ich und stolperte zurück zur Bar. Dort schüttete ich mir das ganze Schälchen Erdnüsse in den Mund. »Zahlen«, blaffte ich den Barkeeper an. Auf meinem Hocker saß eine schwarzhaarige Schönheit.
»Du weißt schon, dass das mein Platz ist, oder?« Sie reagierte nicht, also wurde ich noch lauter: »Du hast dich einfach auf meinen Platz gesetzt!«
Sie lachte. Da stieß ich sie runter. Im nächsten Moment stand ich auf der Straße, und der Bodybuilder raunte mir zu: »Lass dich hier nie wieder blicken. Alkoholikerin!«
»Ha!«, machte ich. »Ich hab in meinem Leben noch nie was getrunken, du Arsch!«
Er zuckte nur die Schultern und verschwand im Einrahmen. »Ja, du Arsch, verzieh dich zu deiner Freundin! Du feiger Arsch!«, brüllte ich ihm nach.
In dem Moment sah ich den Piraten.
Er war gerade um die Ecke gebogen und kam direkt auf mich zu. Es fühlte sich an, als müssten mir gleich die Augen rausfallen, so weit riss ich sie auf. Das war mein Zeichen. In der größten Not, im tiefsten Schmerz, als Entrechtete, die von der Gesellschaft gemieden und von der Gemeinschaft verstoßen war, kam mein Licht, meine Rettung … ausgerechnet in Gestalt des Piraten. Wieder wurde mir schwindlig, diesmal vor Romantik, und ich musste mich gegen die Hausmauer lehnen. Heiße Tränen der Dankbarkeit stiegen mir in die Augen – und versiegten, als der Pirat einfach an mir vorbeiging.
Es war tatsächlich so. Keinen halben Meter von mir entfernt marschierte er an mir vorbei, dann überquerte er die Straße und steuerte direkt auf sein Haus zu. Er hatte mich nicht gesehen! Das konnte doch nicht wahr sein!
Ich sah, wie er das Schloss aufsperrte. Halt! Halt! Der konnte doch nicht einfach … mach was, Teddy!
»Halt!«, schrie ich und rannte über die Straße.
Er drehte sich um. »Oh«, sagte er.
»Ja«, antwortete ich.
7
Es gibt Situationen, in denen selbst redselige Menschen verstummen. Dies war so eine, und der Pirat und ich, die wir beide eher generell auf den Mund gefallen waren, schwiegen uns minutenlang an. Das war der Moment, in dem ich mir wünschte, ich hätte zwei Long Island Ice Teas getrunken. Oder mir zumindest nach dem Kotzen und den Erdnüssen einen Kaugummi in den Mund gesteckt.
Und es war der Moment, von dem ich wusste, dass er unsagbar wichtig für meine gemeinsame Zukunft mit dem Piraten sein würde. Was ich jetzt sagte, könnte den Ausschlag zum Wunder geben. Oder zur Tragödie.
»Ich wollte nur wissen, ob Sie am Montag wieder geöffnet haben.« Goooott, was für eine Tragödie!
»Ja«, sagte er.
»Aha«, machte ich. Und fügte gleich noch souverän hinzu: »Gut.«
»Ja.«
Er spielte mit seinem Schlüsselbund herum. Bitte nicht gehen, bitte nicht gehen, bitte nicht –
»Ich …«, begann ich in meiner Not, »ich hab nämlich gestern ein Buch bei Ihnen gesehen,