Ein Mann fur alle Lagen - By Jennifer Crusie
1. KAPITEL
„Spring lieber nicht hinunter. Das Blut würde niemals wieder aus deiner Seidenbluse rausgehen.“
„Ich sehe nur nach, wie das Wetter ist“, erwiderte Kate Svenson geduldig und blickte weiterhin aus ihrem Apartmentfenster. Sie wusste, dass Jessie sich wieder ihrer Zeitung widmen würde, wenn sie, Kate, nicht weiter auf sie einging.
Draußen herrschte strahlendes Augustwetter. Dennoch fühlte Kate sich einsam und verzweifelt, daran konnte auch ihre beste Freundin Jessie am Frühstückstisch nichts ändern. Sie wandte sich ab und setzte sich wieder an den gedeckten Tisch. Obwohl sie versuchte, sich auf den Wirtschaftsteil der Sonntagszeitung zu konzentrieren, musste sie ständig darüber nachdenken, wie erbärmlich ihr Leben war.
Dabei geht es mir gar nicht mal schlecht, überlegte sie. Ich habe eine tolle Karriere in der Unternehmensberatung. Die Firma gehört zwar leider meinem Vater, und manchmal ist es langweilig, aber es ist eine ganz ordentliche Karriere.
Sie verdrängte ihren Beruf und dachte an die anderen guten Seiten ihres Lebens. Sie war gesund, besaß genug Geld und hervorragende Freunde. Dazu dieses schöne Apartment, das mit teuren französischen Antiquitäten möbliert war. Über den Rand der Zeitung hinweg musterte Kate ihre brünette Freundin, die gerade den Kopf hob.
„Was ist los?“ fragte sie, als sie Kates Blick bemerkte.
„Nichts. Ich dachte an die guten Dinge in meinem Leben, und du gehörst zu den besten.“
„Ich bin das Beste in deinem Leben, und das sagt viel darüber aus, wie mies es dir geht“, erwiderte Jessie und las weiter.
Jessie trifft immer den wunden Punkt, dachte Kate. Da sitzt sie und sieht mit ihren dunklen Locken viel jugendlicher aus als ich. Dabei sind wir beide fünfunddreißig. Macht es ihr vielleicht nichts aus, dass ihr Leben vorüberzieht?
Aber im Gegensatz zu mir lebt Jessie ihr Leben aus, und sie ist mit ihrem Beruf vollkommen glücklich. Falls man das Verzieren von Torten als Beruf bezeichnen kann. Wie sie davon leben kann, werde ich nie verstehen. Vielleicht hätte ich auch einen anderen Beruf wählen sollen …
Hör auf, sagte Kate sich in Gedanken. Sie war eine sehr gute Unternehmensberaterin und verdiente damit viel Geld. Außerdem machte ihr das Privatleben viel mehr zu schaffen. Natürlich war Jessie glücklicher. Immerhin hatte sie nicht drei gescheiterte Verlobungen hinter sich, und ihr machte es auch nichts aus, mit fünfunddreißig nicht verheiratet zu sein. Hör auf zu jammern, sagte Kate sich, und genieße, was du hast.
Aufseufzend widmete sie sich wieder der Zeitung.
Jessie blickte auf und ließ nach kurzem Zögern die Zeitung auf den Tisch fallen. „Das alles ist nur die Schuld deines Vaters.“
Verblüfft blickte Kate auf. „Wovon sprichst du?“
„Das weißt du genau.“ Jessie verschränkte die Arme und blickte Kate prüfend an. Blond, gebildet, liebenswert – und todunglücklich, schoss es ihr durch den Kopf. „Du bist unglücklich“, stellte sie fest.
„Nein, bin ich nicht.“ Kate zwang sich zu lächeln. „Liest du etwa gerade die Kontaktanzeigen? Das bringt dich nur auf dumme Gedanken. Blättere lieber zum Sportteil weiter.“ Sie hob die Zeitung wie einen Schutzschild hoch.
Wie üblich gab Jessie nicht auf. „Du seufzt ständig. Wie soll ich mich da aufs Lesen konzentrieren?“
„Ich seufze nicht.“ Kate blickte nicht auf. „Das ist eine Erkältung.“
„Lüg nicht. Du denkst doch nicht etwa immer noch an diesen Mistkerl Derek, oder?“
„Nein.“ Kate schüttelte den Kopf. „Das wäre auch vollkommen sinnlos. Jetzt lies weiter.“
Jessie drückte mit einem Finger den Wirtschaftsteil der Zeitung nach unten, um ihrer Freundin ins Gesicht zu sehen. „Du willst heiraten“, stellte sie gnadenlos fest.
„Natürlich will ich das“, entgegnete Kate nüchtern. „Irgendwann. Also nimm bitte deinen Finger weg.“
„Du willst jetzt heiraten.“ Jessie blickte sie nachdenklich an. „Das muss mit deiner inneren Uhr zusammenhängen.“
„Dein Nagellack ist zerkratzt“, wich Kate aus. Außerdem ist die Farbe hässlich, aber das sage ich nicht, weil es mich nichts angeht.“
„Du warst in den letzten drei Jahren dreimal verlobt“, stellte Jessie fest. „Und du hast diese Männer alle verlassen. Wieso verlobst du dich mit Männern, die du dann doch nicht heiraten willst?“
Kate atmete tief durch. „Derek wollte unbedingt einen Ehevertrag schließen, noch bevor wir überhaupt wussten, wann wir heiraten sollen. Paul empfand meinen beruflichen Erfolg als Bedrohung und verlangte von mir, nicht mehr so viel zu arbeiten, falls ich ihn wirklich liebe. Terence meinte, ich hätte als seine Ehefrau sowieso zu viel mit den gesellschaftlichen Verpflichtungen zu tun, um selbst noch zu arbeiten. Und du findest, ich hätte einen von ihnen heiraten sollen?“
„Offen gesagt finde ich, du hättest dich mit den dreien nicht einmal verabreden sollen. Dein Vater hat dir ganz merkwürdige Ansichten über das Leben, die Männer und die Ehe in den Kopf gesetzt. Und dein Unglück macht mich auch unglücklich. Deshalb werden wir etwas dagegen unternehmen.“
Kate legte die Zeitung weg.