Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,9
weil wir dachten, dass vielleicht alles noch gut wird.«
Wir saßen eine Weile schweigend da. Der Duft frischen Kaffees wehte herein. Ich war nicht der Einzige, der es bemerkte.
»Ich sehe mal nach, ob das Wasser durchgelaufen ist«, sagte Ahti, und seine Stimme klang deutlich erleichtert.
Elina wischte sich mit dem Blusenärmel die Augen. Der weite Stoff wickelte sich um das Handgelenk, sie zog ihn mit der anderen Hand gerade.
»Wir hatten ernsthaft geglaubt«, sagte sie wieder so leise, dass ich mich vorbeugen musste, um ihre Worte zu verstehen, »dass uns etwas einfällt, dass es eine Lösung gibt und all dies nur eine schreckliche und plötzliche Krise ist, die man übersteht und nach der das Leben so weitergeht wie bisher.«
Ich wusste nicht, ob sie von ihrer eigenen Situation oder der der ganzen Welt sprach, aber das war wahrscheinlich egal.
Ahti kam mit der Kaffeekanne. Mit präzisen, abgehackten Bewegungen füllte Ahti die Tassen, die mit fröhlichen Blumen bemalt waren, wie zur Erinnerung an eine Zeit, die für immer verloren war. Was ja auch zutraf.
»Habt ihr diese Wohnung verkauft?«, ich untermalte meine Frage mit einer kreisenden Handbewegung.
Ahti schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er leise.
»Sag die Wahrheit«, bat Elina und wischte sich wieder zwei, drei Tränen mit dem Ärmel von den Wangen.
Ahti setzte sich ans andere Ende des Sofas, nahm seinen Kaffeebecher und spielte die Sache offenbar in Gedanken durch, ehe er sprach.
»Wer würde die Wohnung denn kaufen?«, sagte er, wobei er den Oberkörper aufrichtete. »Das Dach hat Löcher, im Keller steht Wasser, überall Schimmel, Ratten und Schaben. Ständig Stromausfälle, manchmal haben wir kein Wasser. Die ganze Stadt steht kurz vor dem Zusammenbruch, niemand hat Geld, und wer noch etwas hat, will garantiert nicht hierherziehen. Investoren gibt es nicht mehr, und selbst wenn, wer würde Miete zahlen wollen, wo man auch umsonst wohnen kann? Und wer glaubt denn wirklich, dass sich alles noch zum Besseren wendet?«
Elina starrte vor sich hin und weinte nicht mehr. Ihre Augen waren trocken und rot. »Wir haben es mal geglaubt«, sagte sie leise und sah Ahti an.
»Wir haben wirklich lange daran geglaubt«, gestand er.
Mir fiel dazu nichts ein. Ich trank Kaffee, betrachtete den aufsteigenden Dampf und wärmte mir die Hände am Becher.
»Johanna taucht bestimmt wieder auf«, sagte Elina plötzlich und weckte uns aus unseren Gedanken.
Ich sah auf und musterte Ahti. Er nickte Elina zu, wie um das Gesagte zu bestätigen, und hörte mit dem Nicken erst auf, als er merkte, dass ich ihn anstarrte. Es glich einer Vollbremsung. Ich ließ mich nicht davon beirren, ebenso wenig von der Unsicherheit, die jetzt wieder in seinen Augen auftauchte, denn ich wusste: Wenn ich ihn jetzt nicht fragen würde, würde ich es später bereuen.
»Ahti, du sagtest, dass all euer Geld weg ist. Ich könnte euch ein bisschen Reisegeld geben und dir gleichzeitig etwas abkaufen.«
Er zögerte eine Sekunde, suchte sichtlich nach Worten. »Was könnte ich denn haben, das dich …«
»Du warst mal Sportschütze«, unterbrach ich ihn.
Er war überrascht und schielte zu seiner Frau, die nichts sagte, ihm aber zunickte. Er beugte sich zu mir. »Warum nicht«, sagte er, während er aufstand. »Ich benötige ja nur eine der beiden Flinten und nur eine Pistole. Außerdem wird mich kaum jemand dafür zur Rechenschaft ziehen, wenn ich dir jetzt eine Waffe verkaufe.«
Ich folgte ihm ins Schlafzimmer. Vor den offenen, zerwühlten Schränken standen halbgepackte große Rucksäcke mit Tragegestell. Kleidung lag auf dem Bett, dem Bettpfosten, auf den Stühlen und dem Fußboden vor dem Gepäck. Ahti trat an einen abseits stehenden Schrank aus dunklem Holz, dessen Tür er mit einem Schlüssel öffnete. Drinnen hingen zwei Flinten, ein Kleinkalibergewehr und drei Pistolen.
»Du darfst zwischen den beiden wählen«, sagte er und deutete abwechselnd auf zwei der Pistolen. Seine Gesten erinnerten mich an einen Handelsvertreter, was ich in Anbetracht der Situation übertrieben fand. »Entweder die Neun-Millimeter-Heckler-&-Koch USP oder die Glock 17, auch Neun-Millimeter.«
Dann zeigte er auf das obere Exemplar und wirkte durchaus nicht mehr wie ein Vertreter, sondern wie ein Mann, der einen Entschluss gefasst hat. »Die Smith & Wesson ist für mich.«
Ich nahm die Pistole, die zu meiner Rechten hing, es war die Heckler & Koch.
»Ist ein gutes Gerät. Hergestellt in Deutschland, damals, als man dort noch etwas herstellte.«
Die Waffe war überraschend leicht.
»Sechshundertsiebenundsechzig Gramm«, sagte Ahti, ehe ich ihn fragen konnte. »Achtzehn Patronen im Magazin.« Aus dem untersten Fach des Schrankes nahm er eine klappernde Schachtel. »Die kriegst du natürlich dazu. Fünfzig Stück.«
Ich betrachtete die Schachtel, dann die Waffe in meiner Hand. Beide waren völlig fehl am Platz in diesem stinknormalen Schlafzimmer. Jetzt musste ich zügig handeln, sonst würde mich die Reue packen.
»Hast du