Der Heiler - By Tuomainen, Antti Page 0,48

diesem Zeitpunkt. Ein verdammter Zufall. Und als ich ­erzählt habe, was los ist, war Ahti sofort bereit, mir eine Waffe zu verkaufen. Obwohl er sonst immer alles peinlich genau nimmt, besonders Gesetze und Verordnungen. Ich habe in dem Moment nicht weiter darüber nachgedacht. Und ich habe mich auch nicht darüber gewundert, war­um unsere alten Freunde nichts davon gesagt hatten, dass sie die Stadt verlassen wollen.«

Da weder Ahti noch Elina etwas sagten, fuhr ich fort:

»Und mir kamen auch keine Zweifel, als ihr erzählt habt, dass ihr diese Wohnung nicht losgeworden seid. Dass sie so viele Mängel hat und das Haus in einem schlechten Zustand ist, mit Wasser im Keller und Löchern im Dach. Dann kam ich auf die Idee, das Ganze nachzuprüfen. Diese Wohnung hat nie zum Verkauf gestanden, niemand hat versucht, sie irgendwem anzubieten. Und was das Haus angeht, so wurde zwei Stockwerke über euch gerade eine Wohnung verkauft. Weiter oben. Noch näher an dem löchrigen Dach.«

Ich spürte einen störenden Reiz in der Kehle, ein unangenehmes Brennen, das mir das Schlucken erschwerte. In meinen Augenwinkeln flitzten Schatten hin und her. Symptome von Müdigkeit und Enttäuschung.

»Spätestens da habe ich mir zwei Fragen gestellt«, fuhr ich fort, als ich durch mehrmaliges Schlucken den Hals wieder frei hatte. »Warum wollen die beiden so plötzlich weg aus Helsinki, dass sie nicht mal Zeit haben, ihre Wohnung zu verkaufen? Und warum brechen sie gerade jetzt so eilig auf, wo Elinas beste Freundin Johanna verschwunden ist?«

Ahti legte die Hände auf die Sessellehnen und umfasste sie. Es sah aus, als wollte er den Sessel an Ort und Stelle und sich selbst auf dem Sitz halten.

»Tapani, ich war ziemlich krank, das hier muntert mich nicht gerade auf.«

Ich ignorierte seinen Kommentar, ich musste weitermachen.

»Ich habe mir gesagt, dass ich Ahti fragen muss. Für all das gibt es bestimmt eine vernünftige Erklärung. Ahti kann ich vertrauen. Er ist ein alter und guter Freund. Aber wie alt und wie gut? Diese Frage muss ich mir stellen.«

Ahti schüttelte den Kopf. »Tapani, du bist durcheinander wegen Johanna. Wir verstehen das gut.«

»Außerdem habe ich mich gefragt«, fuhr ich fort, ohne auf seine Worte einzugehen, »warum Ahti gesagt hat, dass er angeblich seit zwei Jahren arbeitslos ist, wo ich doch leicht herausfinden konnte, dass er zuletzt noch vorige Woche gearbeitet hat.«

Er rieb sich die Stirn, als ob er urplötzlich Kopfschmerzen hatte.

»Du bist einer der Juristen von A-Secure«, sagte ich zu ihm, »du berätst die Firma, seit sie begonnen hat zu expandieren. Das ist eine Verbrecherorganisation, Ahti. Sie setzen Gewalt ein. Sie rauben Menschen aus, verprügeln sie, töten sie sogar. Und du arbeitest für sie.«

Für eine Weile trat Schweigen ein. Ich überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Ich merkte, wie Ahti zu Elina blickte, sah aus den Augenwinkeln, wie ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht trat, kein amüsiertes, sondern ein Zeichen der Liebe, der Hingabe. Sie nickte, er nickte zurück.

»Also gut«, sagte er fast schon flüsternd. Er wandte sich mir wieder zu und fuhr fort: »Ich weiß nicht, ob dir aufgefallen ist, Tapani, dass ich in Bezug auf meine Arbeit stets sehr schweigsam gewesen bin. Ich hatte meine Gründe dafür. Und ich hatte ebenso meine Gründe dafür, als Jurist in der besagten Firma zu arbeiten.«

Ich wollte mich nicht aufregen, sondern zwang mich, überlegt und ruhig zu sprechen: »Johanna hat das irgendwie herausgefunden. Sie hat begriffen, dass du schon seit Jahren für eine Firma wie A-Secure arbeitest. Sie hat dich daraufhin kontaktiert. Das habe ich vor ein paar Stunden entdeckt, als ich eine E-Mail auf ihrem Computer geöffnet habe. Sie hat dich kontaktiert, und danach ist irgendetwas passiert, sowohl mit Johanna als auch mit dir. Was ist hier los, Ahti? Warum habt ihr sofort gepackt und wolltet abreisen?«

Ahti wirkte gelassen, in jeder Hinsicht ruhig.

»Ich dachte, wir wären Freunde«, sagte ich. »Was ist passiert?«

»Was ist Freundschaft?«, sagte Ahti. »Man geht gemeinsam in die Sauna, trifft sich zu Abendessen, trinkt Wein, plaudert, ist sich in vielem einig und teilt ein paar Geheimnisse. All das macht man jahrelang und glaubt, dass man sich kennt. Das ist schön, und wir können es Freundschaft nennen, aber es bedeutet noch lange nicht, dass wir etwas voneinander wissen. So hast du ja selbst vorhin philosophiert.«

»Danke für die Lehrstunde in Zynismus«, sagte ich. »Ich denke, dass auch Johanna sich dem von ganzem Herzen anschließt, wenn sie nur erst von dort, wo immer sie sein mag, lebend nach Hause kommt. Was ist passiert? Warum müsst ihr weg aus Helsinki?«

Ahti wollte eben den Mund aufmachen, als Elina sagte: »Wir sind weiterhin eure Freunde.«

Ich schielte zur Seite.

Sie

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