Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,66
nur möglich aussehen.
Mit dem Gesicht nach vorne, die linke Hand auf den linken Oberschenkel gepresst, stieg ich die Leiter hinab. Unter Aufsicht des Piraten. Das Wasser war saukalt, trotzdem enterte ich das Becken im Zeitraffer. »Haaa, das ist aber nicht so warm«, piepste ich.
»Du musst schwimmen, Teddy. Schau, so wie ich.«
Ich schwamm eine Runde um Cheyenne und den Piraten herum. Plötzlich musste ich lachen. Ich hüpfte vor den beiden auf und ab. Und nein, mein Bikini verrutschte nicht. Das Leben war so schön.
»Schau mal, Teddy, wie ich tauchen kann.«
Cheyenne hielt sich mit spitzen Fingern die Nase zu und tauchte unter. Sobald sie unter Wasser war, ließ sie ihre Nase los und ruderte mit den Händen herum. Der Pirat und ich lächelten uns an. Mama und Papa, voller Stolz auf ihren Spross. Im nächsten Moment war meine Badehose bei den Knien. Ich kreischte. Und ruderte auch gleich mit den Händen unter Wasser herum. Cheyenne tauchte wieder auf und kicherte wie von Sinnen. Ich drehte mich um und tat so, als würde ich außerhalb des Beckens jemanden suchen.
War das der Moment gewesen? Der Moment, in dem der Pirat mich das erste Mal nackt gesehen hatte? Konnte wahrscheinlich eh keinen besseren ersten Blick auf den Körper geben als unter Wasser. Oder? Ich meine, Wasser schmeichelt doch. Gott, wie lange drehte ich den beiden nun schon den Rücken zu? Und nach wem hielt ich hier überhaupt Ausschau? Und warum war ich zweiunddreißig und machte mir über zwei Sekunden »unten ohne« Gedanken? Wurscht. Wurscht. Wurscht. Mit Schwung drehte ich mich um. Der Pirat und Cheyenne waren am anderen Ende des Bassins und völlig mit sich selbst beschäftigt. Wurscht.
Ich gab mir alle Mühe, mit besonders sportlichen Schwimmstößen zu ihnen zu gelangen. So sportlich wie Brustschwimmen halt ausschauen kann, wenn man den Kopf nicht eintauchen darf.
»Komm, Teddy, tauchen wir!«
»Geht leider nicht, Cheyenne. Die Brille.« Und die Wimperntusche. Und das Rouge. Und der Pickelabdeckstift.
Cheyenne zuckte mit den Schultern und schlug unter Wasser einen Purzelbaum. Hätte ich bloß ihr Selbstbewusstsein.
»Frau Kis«, der Pirat räusperte sich.
»Ja?«
Wieder ein Räuspern. »Nun ja, ich wollte nur sagen, dass ich es sehr schön finde, dass Sie heute gekommen sind. Ich habe Sie ja die ganze Woche nicht gesehen.«
Ich wollte ja kommen, ich wollte. Wie gern hätte ich das zu ihm gesagt. Und ihn in den Arm genommen. Und all die Menschen um uns herum woandershin verbannt. Zu Cheyenne unters Wasser.
»Ich, ähm, ich habe ein neues Auto bekommen und musste jetzt das Fahren mit Gangschaltung üben. Der Zahnarzt, kennen Sie ihn? Dr. Strohmann, er hat mir die ganze Woche Fahrstunden gegeben.«
»Ich verstehe.«
»Haben Sie einen Führerschein, Herr Nemeth?«
Der Pirat schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich mir wohl nie die Zeit genommen.«
Cheyenne tauchte zwischen meinen Beinen durch, ich hielt meine Badehose fest. »Gisela hat mir erzählt, dass Sie mit ihr zusammen studiert haben.«
Jetzt nickte er.
Himmelschimmel, dass man ihm alles so aus der Nase ziehen musste! »Was haben Sie denn studiert, Herr Nemeth?«
»Nichts so richtig, fürchte ich. Anfangs Geschichte und Politikwissenschaften. Dann habe ich es mit Philosophie und Sinologie versucht. Und mit Ethnologie. Und dann mit Veterinärmedizin.«
»Oh. Das ist aber viel.«
»Alles nur sehr kurz. Ich habe nicht viel Bildung an der Universität erlangt.«
»Ich auch nicht«, versuchte ich einen Scherz, haha, ich war ja nie auf der Uni gewesen.
Doch er nickte nur. In dem Moment zog Cheyenne ihm die Badehose runter. Und wieder war ich es, die kreischte. Und hektisch war. Und sich anschließend intensiv nach jemandem außerhalb des Beckens umsah. So lange, bis Cheyenne mir mitteilte, dass wir drei jetzt auf ein Eis gingen.
Außerhalb des Wassers taten sich folgende drei Probleme auf:
Erstens: Cheyenne bibberte wie Espenlaub, ich musste ihr natürlich mein Handtuch abtreten.
Zweitens: Mein Bikini hatte im Wasser völlig die Form verloren, was eigentlich nicht sein konnte und was dem Altweiberladen mächtig Ärger bescheren würde, aber im Moment war ich ein Walross, an dem oben und unten ein paar Algen hingen. Zu allem Unglück schien der Pirat, dieser Galant, sich in die absurde Vorstellung verbissen zu haben, dass er als Mann hinter uns Damen zu gehen hatte.
Drittens: mein Tampon. Das Chlorwasser musste ihn dermaßen aufgepumpt haben, dass er drückte und nach unten zog, und ich war mir sicher, dass er nicht mehr lange an Ort und Stelle bleiben würde.
»Ich müsste mal dringend …«
»Sie sind natürlich eingeladen, Frau Kis. Welches Eis haben Sie denn gern?«
»Ich, ähm, Magnum Double Caramel, aber ich müsste nur schnell …«
»Was hast du denn, Teddy?«
»Cheyenne, musst du nicht vielleicht aufs Klo vor dem Eis? Nein?«
»Nööö.«
»Okay dann … Ich bin gleich wieder da. Geht ruhig schon