Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,60
Übergang zwischen meinem normal gebauten Becken und den Reiterhosen um einiges besser machte. Das Oberteil war ein Bügel-Bikini, weiß mit dunkelgrünen Längsstreifen, die aus den Mäusefäustchen fast schon ganze Mäusefäuste machten. Der Bikini hatte also geschafft, was die Badeanzüge nicht zustande gebracht hatten: er schmälerte unten und voluminierte oben. Gisela reckte den Daumen hoch.
»Du siehst großartig aus, Teddy, brauchst dich morgen keinesfalls zu verstecken.«
»Und was ist damit?« Unglücklich zeigte ich auf meine Schenkel.
»Was ist womit?«
»Na, die Orangenhaut.«
»Dreh dich mal um.«
»Nein.«
»Jetzt hab dich nicht so, denkst du, ich hab noch nie eine Frau im Bikini gesehen? Dreh dich um.«
Gott, wie ich das hasste. Doch ich tat ihr den Gefallen, wenn auch mit eingekniffenem Hinterteil.
Sie lachte. »Teufel, Teddy, lass locker, unbedingt.«
Ich versuchte mich zu entspannen.
Sie tätschelte mir den Schenkel. »Teddy, ganz wichtig, auf gar keinen Fall den Hintern anspannen, wenn du in Badeklamotten bist. Klar?«
»Klar.«
»Du weißt warum, oder? Wenn du anspannst, dann hast du wirklich Orangenhaut. Und zwar allererster Güte, Teufel, Teufel. Einfach locker lassen. Steh einfach gerade, der Rest gibt sich von selbst.«
»Ach, ich wünschte, ich wäre du.«
»Das wünschst du dir nicht.«
»Doch«, beharrte ich. »Du bist nie unsicher. Du bist nie schwach. Aber wenn ich so aussehen würde wie du, wäre ich vielleicht auch nicht mehr schwach.« Ich hörte selbst, dass der letzte Teil meines Satzes mehr nach einer Frage klang als nach einer Feststellung.
Gisela schüttelte den Kopf. »Mamma mia, zieh dich um, danach gehen wir auf einen Kaffee.«
Der Kaffee bestand aus zweimal grünem Tee. Ich weiß nicht warum, aber in Wien geht man immer »auf einen Kaffee«, egal was man dann tatsächlich trinkt. Oder auch tut. Ich für meinen Teil hatte ja mit einer Melange geliebäugelt, schloss mich aber gottergeben Giselas Bestellung an. Grüner Tee klang sehr gesund und entschlackend und so.
»Du willst also ich sein«, nahm Gisela unseren Gesprächsfaden von vorhin auf.
Ich nickte.
»Erklär mir noch mal, warum.«
»Weil ich, wenn ich du wäre, keine Angst vor dem Rest meines Lebens hätte, ich wäre absolut zuversichtlich, ich wüsste, ich würde alles schaffen. Wenn ich du wäre.«
Gisela nahm den Teebeutel aus ihrer Tasse und quetschte mit Hilfe des Löffels die letzten Tropfen heraus. »Teddy, ich erzähl dir kurz was über mich.« Sie legte den Löffel auf die Untertasse und stützte die Ellbogen auf den Tisch.
»Ich bin in einem Kuhkaff aufgewachsen«, begann sie. »Als ich mit siebzehn hundertprozentig sicher war, dass ich lesbisch bin, habe ich mich geoutet. Meine Eltern haben nicht mehr mit mir geredet. Das heißt, wenn wir unter Leuten waren, schon. Doch wenn wir zu Hause waren, hätte ich mit dem Kopf gegen die Wand rennen können, sie hätten nichts gesagt. Das hat mich so wütend gemacht, dass ich mich – aus Rache für ihre Scheinheiligkeit – auch gleich dem ganzen Dorf gegenüber geoutet habe. Danach war ich die Hexe von unserem Kuhkaff. Ich bin nach Wien gegangen und in meine erste WG gezogen, zusammen mit einem Mädchen und einem Jungen. Das Mädchen wurde meine beste Freundin, und sie ist es heute noch. Sie ist verheiratet, und ihre Kinder sind sieben und zehn Jahre alt. Seit vierzehn Jahren bin ich verliebt in sie, darf es ihr aber nie verraten, weil das unsere Freundschaft zerstören würde, das weiß ich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Sie ist die Liebe meines Lebens.«
»Scheiße«, sagte ich. Gisela nahm einen Schluck von ihrem Tee. »Oder auch nicht«, entgegnete sie. »Scheiße wäre, wenn ich keinen Kontakt mehr zu ihr haben dürfte, das wäre wirklich Scheiße. Aber so alles in allem darf ich mich doch eigentlich recht glücklich schätzen.«
Ich sah anscheinend etwas ungläubig drein, denn Gisela beeilte sich zu sagen: »Teddy, jetzt geh mal in Gedanken alle Menschen durch, die du kennst, und dann stell dir vor, du könntest mit einem von ihnen tauschen. Und zwar mit allem Drum und Dran, Charakter, Gefühlslage, Aussehen, Beruf, alles. Stell dir das einfach mal vor. Und dann nenne mir eine Person, mit der du gerne tauschen würdest. Für die du dich selbst hergeben würdest.«
Ich überlegte. Naturgemäß ging ich erst mal die hübschesten Frauen durch. Gisela? Nein, vielleicht doch nicht, die hatte selbst genug Probleme. Tissi? Mein ganzes Leben hatte ich so aussehen wollen wie sie. Begehrt werden wie sie, ihr Leben führen. Doch sogar sie hatte Probleme, wie ich seit gestern wusste. Vanessa? Hmm, Vanessa tat mir leid, nein, so wollte ich auch nicht sein. Bonnie-Denise? Dann müsste ich aber auch ihren Mann nehmen. Und die Kinder. Und dann wäre nichts mehr mit dem Piraten. Vielleicht mit dem Piraten selbst tauschen? Dann würde ich zumindest unsterblich geliebt werden, nämlich von Teddy.