Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,45
heute bin ich ganz froh, es ist kein schlechter Job.«
»Und vermissen Sie Ihren Chef, den Hans?«
Ich nickte. »Ja, schon. Er war lustig und … und gut.«
»Stimmt es denn, dass er Sinatra kannte?«
»Oh ja, sie haben sich eine Nacht lang gekannt.« Und zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage erzählte ich die Story von der Namensgebung des Schuh-Bi-Dubi-Du.
Der Zahnarzt runzelte die Stirn. »Erstaunliche Geschichte. Und die Andenken hat er im Geschäft aufgehängt?«
»Mmhm, aber kurz vor seinem Tod hat er sie abgenommen.«
Der Zahnarzt warf mir einen Blick zu. »Und warum das?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das hat er mir nie verraten. Manchmal war der Hans sehr eigenbrötlerisch, wissen Sie? Er meinte nur, ich solle mir keine Sorgen machen, er würde sie schon wieder aufhängen. Aber dann ist er gestorben.«
»Verstehe«, sagte der Zahnarzt gedehnt. »Dann hat er sie wahrscheinlich versteckt, oder? Vielleicht«, er schnippte mit den Fingern, »haben die Sachen den Schuhladen ja nie verlassen.«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Sie haben Glück«, fuhr der Zahnarzt fort, »dass ich mir nichts aus Sinatra mache.«
»Wieso hab ich da Glück?«
Er lachte. »Na, weil ich sonst sicher einen Tunnel von meiner Praxis in Ihr Geschäft graben würde, hahaha.«
Ich runzelte die Stirn. Das also wollte er von mir, ich sollte ihm Hans’ Schatz ausgraben. Deshalb das ganze Wadenmassieren und Autoschenken, deshalb die »liebste Teddy«. All das hatte rein gar nichts mit meiner neuen Ausstrahlung zu tun. Ha, was für eine neue Ausstrahlung überhaupt? Vor lauter Frust bekam ich Bauchschmerzen.
Er bog auf einen Parkplatz ab, auf dem sonst noch drei andere Autos standen. Von den Besitzern war nichts zu sehen.
»Sodala, liebste Teddy, jetzt sind Sie an der Reihe. Mit frohem Mut ran an die Maschinen.«
»Ich kann das Auto nicht annehmen«, sagte ich mit belegter Stimme. Sollte Mama mich doch fertigmachen, auf keinen Fall, auf gar keinen Fall, würde ich mich auf diesen schrecklichen Tauschhandel einlassen. Nicht in tausend Jahren würde ich Hans’ geliebte Sinatrasammlung einem Unwürdigen geben, nicht für alle Autos dieser Welt.
»Was soll das heißen?«
Natürlich begann ich zu stammeln. »Ich äh, ich glaube, Sie wollen … Sie sind nur interessiert an der … Sie wollen die Sachen von Frank Sinatra – natürlich, ich hab natürlich auch nie angenommen, dass Sie mir einfach nur so ein Auto geben würden, und natürlich steht Ihnen dafür etwas zu, sehr vieles natürlich – aber es tut mir sehr leid, das kann ich nicht … und außerdem«, fügte ich hinzu, »weiß ich auch gar nicht, wo sich die Sachen befinden, also kann ich es tatsächlich nicht, nicht mal wenn ich wollte. Was ich aber eh nicht dürfte, das wäre Hans gegenüber nicht fair … ich, es tut mir sehr leid, ich werde jetzt aussteigen –«
Doch ich stieg nicht aus. Etwas am Gesichtsausdruck des Zahnarztes hinderte mich daran. Seine Lippen waren leicht geöffnet, die Augenbrauen nach oben gezogen, so dass auf seiner Stirn kleine Fältchen lagen.
»Teddy«, stieß er hervor. »Oh Teddy, sagen Sie nichts mehr. Ihre Vermutungen treffen mich hart. Ich habe doch nur ein Gesprächsthema gesucht, bei dem Sie sich wohlfühlen. In keinster Weise wollte ich mich irgendwie durch Sie bereichern und ich darf Ihnen versichern – bei allem, was mir heilig ist –, dass ich keinerlei Interesse an Sinatra habe. Sollte man mir Hintergedanken irgendeiner Art in Bezug auf Sie vorwerfen können, so hätten sie jedenfalls nichts, aber auch gar nichts Materielles an sich.«
»Hintergedanken in Bezug auf … mich?«, stotterte ich. Und fügte hinzu: »Was für welche denn?« Sosehr ich den Piraten auch liebte, war es verwerflich, dass ich mich ein einziges Mal in meinem Leben als Sexobjekt fühlen wollte? Natürlich hatte ich nicht vor mitzumachen – ich war schließlich die Braut des Piraten –, aber an diesem Abend im Auto wollte ich um jeden Preis, dass der Zahnarzt mich wollte.
»Ach, Teddy«, antwortete er, »wissen Sie denn nicht, dass ein hartes Wort aus Ihrem Mund mich mehr verletzt, als eine Waffe es jemals könnte?«
Ich musste die Lippen zusammenpressen, um mich daran zu hindern, irgendeinen Unsinn daherzuplappern. Wen interessierte es schon, was der Zahnarzt tatsächlich von mir wollte? Das was er sagte, war so romantisch, dass ich mir vorkam wie Jane Eyre an der Stelle, wo Mr. Rochester sich ihr endlich offenbarte.
»Es tut mir leid«, flüsterte ich, »ich wollte Sie nicht verletzen.«
Er nahm meine Hand und zog sie an seine Lippen. Er hielt den Blick auf mein Gesicht gerichtet, als er einen Kuss auf meine Handinnenfläche gab. Ja richtig, die Handinnenfläche! Das hatte nichts mehr mit Galanterie zu tun, das war … Sex. Mehr Sex als Mr. Rochester auf fünfhundertfünfzig Seiten zustande brachte. Und diese nussblonde