Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,42

zum Teil und manche in voller Pracht. Zu denen gehörst du, Teddy. Und deine kleine Kollegin anscheinend nicht.«

Ich runzelte die Stirn.

Vanessa beugte sich vertraulich zu mir. »Du reifst, du reifst, das traurige Gänseblümchen metamorphosiert zur prachtvollen Pfingstrose, verstehst du mich?«

Ich verstand, dass sie mir damit ein unheimlich tolles Kompliment gemacht hatte, auch wenn ich bezweifelte, dass ein Gänseblümchen sich zur Pfingstrose auswachsen konnte, aber ich war keine Botanikerin und daher nickte ich dankbar.

»Vielleicht ist es ja auch so, dass du einen besonders faszinierenden Mann kennengelernt hast? Kann das sein?«, wollte Vanessa wissen.

»Ich … ich, dein Chef, der Dr. Strohmann, er gibt mir Fahrstunden ab heute Abend.« Warum erzählte ich ausgerechnet Vanessa davon? Wo sie Strohmann doch gut kannte! Und warum um Himmels willen redete ich überhaupt vom Zahnarzt?

Vanessa hingegen schien ganz entzückt, aus meinem Mund von ihrem Chef zu hören. »Ach, er ist ja so nett. Und ein wahres Bild von einem Mann.«

»Und seid ihr beide … ich meine –« Was ging mich das an? Das sollte mich gar nicht interessieren!

»Gott, nein, das würde ich nie. Er ist mein Chef, das ist alles. Aber natürlich ist er außerdem noch ein faszinierender, vertrauenswürdiger Mann. Nicht mein Typ, aber an deiner Stelle wäre ich durchaus interessiert.«

»Was sollte er schon an mir finden?«

»Teddy, du metamorphosierst gerade, verstehst du nicht? Das spüren die Männer, das wollen die Männer.« Sie tätschelte meinen Arm. »Und jetzt zeig mir ein bisschen deinen Laden, ja? Mich würde zu sehr interessieren, was sich hinter dem Vorhang verbirgt.«

Die Frau der schnellen Themenwechsel. Ich hätte viel lieber weiter über meine wundersame Reifung geredet und vielleicht auch ein bisschen über den Zahnarzt, wollte aber nach den vielen aufbauenden Dingen, die sie zu mir gesagt hatte, nicht undankbar erscheinen. Also führte ich sie nach hinten, wo sie auf der Stelle begann, die Schuhschachteln zu inspizieren.

»Das müssen ja Tausende sein«, flüsterte sie ehrfürchtig. »Und du weißt bei jeder Schachtel, was drinnen ist?«

»Nun ja, eher nicht, nein. Links hinten haben wir die Kinderschuhe, davor die Herrenschuhe und auf der rechten Seite die Damenschuhe. Und aus diesen drei Gruppen sind dann noch mal alle in Untergruppen geteilt. Sportschuhe, Sandalen, Halbschuhe, Schnürschuhe, Stiefel, Hauspatschen –«

»Und ist auch noch was aus früheren Saisons dabei?«

»Ja natürlich, wir machen zwar einmal im Jahr Inventur, sind aber immer nur zu zweit dabei. Und viel Zeit ist nie dafür. In die untersten Schachteln hat vermutlich seit Jahren kein Mensch geschaut.«

Vanessa umarmte mich.

»Ach, ich wünschte, ich dürfte das. Schuhe sind ja meine Leidenschaft. Darf ich? Darf ich?«

Wie hätte ich ihr einen Wunsch abschlagen können, wo sie mir doch gerade gesagt hatte, dass ich metamorphiere, oder wie auch immer das hieß.

Während ich im Laufe des Nachmittags neun Kundschaften bediente, einmal vier gleichzeitig, den Rest zum Glück hintereinander, wühlte Vanessa sich durchs Lager. Um halb sieben erklärte ich ihr, dass ich abschließen müsse, und sie erklärte mir, dass sie die Hälfte der Schachteln durchhätte und am nächsten Tag für den Rest wiederkommen wolle.

»Suchst du nach was Bestimmtem?«, fragte ich zum zehnten Mal.

»Nach Schuhen«, flötete sie zum zehnten Mal und segelte hinaus. Natürlich kam mir ihr Verhalten komisch vor, und einige Male war ich knapp davor, sie zu fragen, ob sie nur deswegen so nett zu mir gewesen war, um hinterher in den Schuhen graben zu können. Doch ich brachte es nicht übers Herz, unsere Freundschaft – so sie denn eine war – durch mein Misstrauen aufs Spiel zu setzen.

Ich sah auf die Uhr, achtzehn Uhr fünfunddreißig. In fünfundzwanzig Minuten würde der Zahnarzt hier erscheinen, mit meinem neuen Peugeot. In zwanzig Minuten würde ich mich vor das Schuh-Bi stellen und auf ihn warten. Konnte ja nichts schaden, wenn der Pirat mich zufällig sah. Mich und den Zahnarzt. Mich neben einem anderen begehrenswerten Mann.

Bis dahin verbrachte ich die Zeit mit Stolzieren und – nach einem kritischen Blick in den Spiegel – mit dem Schlucken dreier weiterer Abführdragees. Ich ließ die Rollos herunter, um ungestört einen sexy Gang üben zu können. Was nicht leicht war in flachen Sandalen, doch was sonst hätte ich zur Fahrstunde anziehen sollen? Ich stellte mich vor die Tür und marschierte auf den Spiegel zu.

Kopf hoch, Brüstchen raus, Hintern rein und Hüften schwingen, Hüften schwingen, cha cha cha, sexy, sexy, sexy. Dann versuchte ich die ganze Nummer mit dem neuen Dreh, den Po zur Abwechslung mal nicht wegzuklemmen, sondern ihn, ganz im Gegenteil, zu präsentieren. Ich war Jennifer Lopez, naja, oder vielleicht Jennifer Lopez nach der Geburt ihrer Zwillinge, nur ohne Busen. Okay, ich war nicht Jennifer Lopez.

Das Problem mit diesen ganzen kurvigen Prominenten

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