Aschenpummel (German Edition) - By Miedler, Nora Page 0,35

schreibe hundertdreißig Euro für das Vergnügen Schrägstrich Styling Schrägstrich, wenn die blöde Tussi noch einmal »Styling« sagt, köpfe ich sie. Ich verließ das Geschäft mit der Hand auf dem Kopf, um den Helm irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass er nach oben wuchs und wuchs, was mein schmales Gesicht in die Länge zerrte wie im Spiegelkabinett. Vielleicht sollte ich lieber mich selbst köpfen.

Geduckt schlich ich die Sieveringer Straße entlang. Batman lag auf dem Gehsteig und hechelte. Als er mich sah, rollte er sich auf den Rücken. Dankbar ließ ich mich auf die Knie fallen und raunte in seinen Hals: »Du magst mich immer, gell. Du bist der Beste. Ja, das bist du. Das bist du.« Zu meinem Entsetzen spürte ich Tränen in mir aufsteigen. Shiti, Heulen war das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte. Prinz Eisenherz mit Schnapsnase. Ich streichelte Batman zum Abschied den Hals und huschte über die Straße, den Kopf praktisch zwischen den Knien. Bitte niemanden treffen. Bitte. Am Libri Liberi rannte ich mit abgewandtem Kopf vorbei und stieß vor dem Schuhladen mit dem Zahnarzt zusammen.

»Hoppla, wen haben wir denn da? Wenn das nicht meine Fahrschülerin ist …« Er zwinkerte mir zu.

Ich behielt die Hand auf dem Kopf und bemühte mich intensivst darum, entspannt und natürlich auszusehen.

»Haben Sie Kopfweh, meine Liebe?«

»Mmhm.«

»Und erblondet ist sie auch. Nein, so was …« Er griff sich eine meiner Haarsträhnen und ließ sie durch seine Finger gleiten. Mein Körper kribbelte von den Zehen bis zum Scheitel. Natürlich hatte der Zahnarzt keine Chance gegen den Piraten, aber er war nun mal der offiziell schönste Mann der Straße. Plötzlich liebte ich die blonden Strähnchen.

»Dann sehen wir uns also morgen um neunzehn Uhr, meine Liebe.«

»Mmhm.« Toll, wie schlagfertig ich heute wieder war.

Vollkommen verblödet grinsend betrat ich das Schuh-Bi. Man konnte gegen Be-De sagen, was man wollte, aber jedenfalls schaffte sie es immer, mich auf den Boden zurückzubringen.

»Igitt, Teddy, das wär aber nicht nötig gewesen. Du schaust aus wie die ärgste Proletin.«

Ich deutete mit dem Finger auf sie. »Weißt du was, Bonnie-Denise? Kann ja sein, dass das nicht dein Geschmack ist, aber gerade eben habe ich Dr. Strohmann getroffen und weißt du was? Ihm gefällt mein neues Styling ausgesprochen gut.« Dann schnippte ich mit den Fingern und schickte ein triumphales »Haha!« hinterher.

Be-De glotzte mich an. Stolz hielt ich ihrem Blick stand. Punkt 4 der To-do-Liste wäre hiermit erfüllt. Lass dich nie mehr von anderen runtermachen!

Ich drehte mich um und erschrak. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass die komische Alte, die vor mir stand, mein Spiegelbild war. Wurscht. Dem Zahnarzt hatte ich gefallen.

»Ach ja, für dich war jemand da«, riss Be-De mich aus meinen Gedanken.

Mein Herz schlug schneller. Der Pirat.

»Irgend so eine Aufgetakelte. Eine, die sich besonders schön vorkommt, dabei müsste man ihr nur die ganze Schminke aus dem Gesicht wischen, die Haare abschneiden und sie in einen alten Sack stecken, dann würden die Männer schon sehen, wie sie in Wirklichkeit aussieht.«

Vanessa.

»Sie hat gesagt, sie heißt Vanessa«, fuhr Be-De fort. »Und sie hat gesagt, dass sie eine seeeeehr liebe alte Freundin von dir ist. Hihihi, war das lustig, alt hat sie wirklich ausgesehen.«

»Sie ist genauso alt wie ich«, entgegnete ich würdevoll, irgendwie hatte ich das Bedürfnis, Vanessa zu beschützen.

»Das hab ich mir schon gedacht«, antwortete Be-De, ließ ihren Jane-Fonda-Pferdeschwanz hüpfen und ich dachte bei mir, dass Henry nach meiner Geburt mit dem Kinder zeugen hätte aufhören sollen. Was wusste so eine Fünfundzwanzigjährige denn schon vom Leben?

Ansonsten verlief der Arbeitstag recht ereignislos. Laut Be-De würde Vanessa mich erst am nächsten Tag im Schuh-Bi besuchen kommen, und gottlob ließ sich heute auch keine Tissi hier sehen.

Das Warten auf sieben Uhr war hart, ich hätte vieles dafür gegeben, zu wissen, was da auf mich zukam. Ich tröstete mich damit, dass der Pirat mich zumindest mögen musste, selbst wenn er mir heute Abend die Liebe seines Lebens vorstellen würde, denn wenn er keine Sympathie für mich hätte, dann würde er sich wohl kaum die Mühe machen. Zu was auch immer.

Um Punkt sieben sperrte ich das Schuh-Bi zu und ging die zwölfeinhalb Schritte zum Libri Liberi hinüber, diesmal mit offenen Augen, auch wenn es sich gleich weit weniger romantisch anfühlte als beim letzten Mal. Die Tür war geschlossen, ich zog sie auf und – erstarrte. Meine schlimmsten Befürchtungen waren wahr geworden. Und zwar noch viel, viel schlimmer als befürchtet.

Auf dem Schreibtisch des Piraten saß die schönste Frau der Welt. Tausendmal schöner als Tissi und Vanessa zusammen.

Sie war mittelgroß und schlank, die übereinandergeschlagenen Beine waren braun gebrannt

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